Die Kanadier:innen SPIRITBOX hauen ihre Tracks gerne als Singles raus, wie der rezensierende Kollege beim 2021er Debüt „Eternal Blue“ bereits bemerkte. Auch bei „The Fear Of Fear“, der neuesten von mittlerweile vier EPs, wurden alle Tracks entweder im Voraus oder mit Release veröffentlicht. Was ist also neu an der EP? Dass es sich bei den Stücken nicht um wahllose Tracks handelt, sondern diese zusammen gedacht wurden, erkennt man unter anderem an den passgenauen fließenden Übergängen, am besten zu hören zwischen „Too Close / Too Late“ und „Angel Eyes“. Außerdem findet sich der Textbaustein „too close […] too late“ in fünf von sechs Songs wieder. Die EP ist also sehr bewusst kuratiert.
SPIRITBOX gelingt eine nicht unkomplizierte Mischung
Mit „Cellar Door“ beginnen SPIRITBOX mit einem Song, der nicht auf Eingängigkeit setzt. Bereits im Intro vertrackt, liefert er durchgehend unerwartete Rhythmen, die aber dennoch nachvollziehbar bleiben. Der Refrain bremst, statt zu pushen, und Breakdowns nehmen zusätzlich Momentum raus. „Cellar Door“ ist gerade aus diesen Gründen nicht nur der härteste, sondern auch der interessanteste und stärkste Track auf „The Fear Of Fear“. „Angel Eyes“ ist stilistisch ähnlich und mischt ebenfalls ganz vorne mit.
Die übrigen vier Stücke stehen im mehr oder minder krassen Gegensatz zu den bereits erwähnten. Auch „Jaded“ und „The Void“ sind auf ihre eigene Art starke Tracks, zielen aber auf Eingängigkeit und damit auf eine gewisse Massentauglichkeit ab. Wo „Jaded“ noch rough und clean Vocals mischt und mit beiden Beinen fest im Metalcore steht, ist „The Void“ schon deutlich weiter im Pop, hat eine auffallend fröhliche Stimmung und begnügt sich mit Klargesang. „Too Close / Too Late“ und „Ultraviolet“ bilden als vergleichsweise balladeske Stücke ein drittes Song-Duo. Letzteres stellt den Rausschmeißer und setzt noch stärker als der Rest der EP auf Elektronika.
„The Fear Of Fear“ – Kalkül, das aufgeht
Die der Anschaulichkeit halber oben grob in drei Kategorien unterteilten Stücke folgen in der Anordnung hart – poppig – balladesk – hart – poppig – balladesk aufeinander und lassen so bei jedem Track erneut aufhorchen. Hundertprozentig passen jedoch die wenigsten Songs in eine der Kategorien, denn SPIRITBOX mischen die ihnen eigene Palette sehr gekonnt auch innerhalb einzelner Stücke. Überraschend ist, wie gut die Melange aus gegensätzlich erscheinenden Elementen in all ihren Ausführungen funktioniert. „The Fear Of Fear“ schafft es, durchgängig mitzureißen. Wirkt es dabei durchkalkuliert und spiegelglatt, nicht zuletzt aufgrund der polierten Produktion? Ja. Das Verblüffende ist, dass das an dieser Stelle gar nicht stört. Ein bisschen weniger Pop-Kitsch hätte es hier und da aber sein dürfen. Ansonsten schon ein kleines Phänomen, diese SPIRITBOX.
Meh. Ziemlich langweilig und aalglatt. Dabei haben die mit ihrer selbstbetitelten Debut-EP richtig stark angefangen und danach noch ein paar tolle Singles rausgehauen. Und dann kam Eternal Blue und die Magie ward verflogen. Schad ist´s.