Spires - The Whisperer

Review

Mit ihrem 2010er Debüt sorgten die britischen Frickelmeister SPIRES seinerzeit bei vielen Kritikern für Staunen und Begeisterung, nun legen die Mannen um Paul Sadler mit „The Whisperer“ nach. Das Zweitwerk der Truppe aus Manchester bietet im Verlauf von 65 Minuten erwartungsgemäß komplexes Material, welches die Bezeichnung „Progressive Metal“ mit Fug und Recht verdient – denn was der Vierer auf seinem Zweitling veranstaltet, kommt für Freunde anspruchsvoller Klänge sowohl in technischer als auch kompositorischer Hinsicht einer wahren Messe gleich.

Natürlich muss der Hörer nicht unbedingt den Unterschied zwischen mixolydischen und hypodorischen Tonleitern kennen, um Freude an „The Whisperer“ zu haben. Klar ist allerdings auch: Wer sich zwischen Tonarten- und Taktwechseln nicht pudelwohl fühlt, sollte lieber ganz schnell weiterklicken (zum Beispiel zu Rezensionen rumpeliger Black-Metal-Kapellen – Kollege Möller hilft Ihnen da gern weiter).

Alle Skalen-Junkies und Theorie-Nerds (wie solche Menschen aussehen, sieht man im Video weiter unten) erwartet mit „The Whisperer“ jedoch die absolute Vollbedienung. Allein, was die Herren Sadler und Corrie während ihrer zahlreichen Solo-Einlagen auf der Sechssaitigen abziehen, ist atemberaubend. Das Coole dabei: Die beiden Ausnahmekönner fiedeln sich nicht nur stur einen ab, sondern verstehen es, mit ihrem Spiel mitzureißen und ganz besondere Klänge und Sounds aus ihren Geräten zu holen (hier nochmals der Verweis aufs Video).

Sinnbild für den SPIRES-Wahnsinn ist der Opener „Ethereal Organisms“, der mit stattlichen 14 Minuten Spielzeit daherkommt und das stilistische Territorium der Platte absteckt: Dieses reicht von verschachtelten Riffs mit DEATH-Färbung und mystisch anmutenden Clean-Akkordfolgen über butterweich vorgetragene Fretless-Bass-Läufe, fiese Growls und wunderbaren Clean-Gesang (wohlgemerkt von ein und derselben Person) bis hin zu Streicher-Arrangements und eben jener ausbalancierten Frickel-Melodie-Arbeit, die Platten wie beispielsweise DISILLUSIONs „Back To Times Of Splendor“ den Meilenstein-Status bescherte.

Naturgemäß fordert es eine beträchtliche Zeit und Bereitschaft, sich mit „anstrengender“ Musik wie der hier dargebotenen auseinanderzusetzen – vom fluffigen, auf Nylonstrings intonierten Gitarren-Interlude „Surrogate“ mal abgesehen, das geht bereits beim ersten Durchlauf gut rein. Etwas zugänglicher zeigt sich zudem das stark an OPETH erinnernde „Primal Revelation“, das phasenweise sogar so etwas wie einen „Groove“ entwickelt. Auch das erste Drittel des epochalen Titel- und Schlusstracks kommt sehr aufgeräumt daher, hier klingen SPIRES anfangs wie eine 70er-Jahre-Prog-Rock-Truppe. Der Track nimmt im Laufe seiner 21 (!) Minuten dann allerdings doch noch die Wendung hin zum Gemeinen und Verkopften, beendet wird das Ganze – wie sollte es anders sein – von einem (‚tschuldigung) geilen Gitarrensolo. Servieren darf selbiges Tymon Kruidenier (EXIVIOUS, ex-CYNIC) – übrigens auch so ein Verrückter.

Nicht zuletzt ist der Sound der Scheibe absolut überragend. Dass für diesen ebenfalls Tausendsassa Paul Sadler verantwortlich zeichnet, lässt die Frage aufkommen: Gibt es überhaupt etwas, worin dieser Kerl irgendwie schlecht ist? Verdammt nochmal!

Egal, der Triumph sei ihm gegönnt. Verdient haben er und seine Mitstreiter ihn sowieso. Denn wer Metal in dieser Form und mit dieser Kultiviertheit spielt und im eigenen Kämmerlein in derartiger Qualität (unter anderem gemeinsam mit echten Violinen und einem Cello) aufs Band bringt, der ist vor allem eines: richtig, richtig gut. Die Zehn verfehlt die Scheibe nur, weil das elfminütige „The Fevered Spirit“ nicht ganz die Klasse der restlichen Tracks erreicht. Abgesehen davon: Saustark.

15.02.2015

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