Spell - Tragic Magic

Review

Die Kanadier SPELL sind in der Retro-Metal-Szene längst keine unbekannten mehr. Die Spin-Off-Band aus dem Hause STRYKER war auf ihren vorangegangenen Alben noch als Trio unterwegs. Gitarrist Graham McGee verließ allerdings vergangenes Jahr die Band. Einen Ersatz wollten Cam Mesmer (Bass, Gesang) und Al Lester (Schlagzeug) nicht verpflichten. Zu zweit unterwegs veröffentlichen SPELL mit „Tragic Magic“ ihr mittlerweile viertes Album.

Einer weniger – Kein Verlust

Der Wegfall eines Mitmusikers, gerade, wenn man nur zu Dritt gewesen ist, mag für viele Bands sicherlich eine Hiobsbotschaft sein. Doch für SPELL scheint dies kaum eine Rolle gespielt zu haben. Die Gitarrenparts spielten Mesmer und Lester kurzerhand abwechselnd ein. Erstaunlicherweise wirkt sich das positiv auf die Kompositionen aus.

Die fallen auf „Tragic Magic“ wesentlich dichter und verspielter aus. In jeder Ecke findet man irgendeine neue, spannende Nuance, sodass der Wiederhörwert konstant oben bleibt. Stilistisch haben sich SPELL im Vergleich zu „Opulent Decay“ ebenfalls weiter nach vorne bewegt. Während SPELL noch klassischen Proto-Metal im Sinne SUMERLANDS, IDLE HANDS und ähnlichen Acts gespielt haben, bewegen sie sich auf „Tragic Magic“ deutlicher in Richtung Dark Rock, ohne ihre Vergangenheit aus den Augen zu verlieren. Statt den 70ern schleichen sich immer mehr Elemente der düsteren 80er ein („Hades Embrace“). Zudem fallen die Kompositionen im Vergleich zu dem Vorgängeralbum wesentlich druckvoller und härter aus.

SPELL verzaubern

Damit machen sie tatsächlich den Platzhirschen UNTO OTHERS Konkurrenz. Wo letztere manchmal zu sehr nach THE CURE auf Ecstasy klingen, wirken SPELL fast leichtfüßig und schwungvoll („Fever Dream“). Der nie ganz ausgereifte Gesang von Cam Mesmer erzeugt dabei – wie auch bei den frühen PARADISE LOST – seinen ganz eigenen Kontrast. Und hier liegt vielleicht das Element, an dem sich so manche HörerInnen scheiden möchten.

Auf der einen Seite wirken SPELL dadurch eigentümlich interessant. Auf der anderen Seite ist es zu verständlich, wenn sich einige mit der teilweise dünn wirkenden Stimme („Cruel Optimism“, „A Ruined Garden“) nicht anfreunden können. Dennoch schaffen es SPELL immer wieder, Ohrwürmer zu erzeugen.

Das leicht proggige „Sarcophagus“ in etwa klingt wie eine Ur-Metal-Hymne, die man irgendwo irgendwann schon mal gehört haben möchte und sich sofort ins Trommelfell einbrennt. Nicht nur der Gesang an sich, sondern auch die Gitarren-, Bass- und Synthfronten erzeugen immer wieder Melodien, die einfach sofort hängen bleiben. Rundherum haben SPELL trotz des Wegfalls ihres Mitmusikers die Schwachstellen über Bord werfen können und sich konstant weiter nach vorne entwickelt.

„Tragic Magic“ wird damit sicherlich vor allem bei Fans des gepflegten Proto-Metals einschlagen und seine Spuren hinterlassen. Zur vollen Punktzahl fehlt es dann doch noch, da manche Songs in ihrem kern nicht immer komplett ausgereift wirken. Wenn SPELL da weiter machen, wo sie hier angefangen haben, werden wir bald ein neues Highlight auf vielen Festivals haben.

 

14.11.2022
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