Die Pariser SORTILÈGE gehören zu den wichtigsten traditionellen französischen Heavy-Metal-Bands. In den Achtzigern veröffentlichten sie eine selbstbetitelte EP sowie die beiden Alben “Métamorphose” und “Larmes De Héros”, wobei die beiden Alben auch in kauzigen, aber nicht übermäßig empfehlenswerten englischen Versionen unter den Namen “Metamorphosis” bzw. “Hero’s Tears” veröffentlicht wurden. Zudem erlangten sie ein wenig Ruhm, weil sie die Lieblingsband des bekennenden Power-Metal-Fans und DEATH-Masterminds Chuck Schuldiner waren, der sich beim Eröffnungsthema des DEATH-Klassikers “Evil Dead” bekanntermaßen von dem SORTILÈGE-Song “Amazone” beeinflussen ließ.
Verwirrenderweise gibt es aktuell zwei Versionen der Band. Nachdem vor allem Sänger Christian “Zouille” Augustin jahrelang in der Versenkung verschwunden und kein Interesse an der Band gehabt zu haben schien, reformierte sich die Band 2018 zunächst in Originalbesetzung. Diese zerbarst 2020 allerdings, sodass Zouille mit gänzlich neuen Mitstreitern seine Version von SORTILÈGE weiterführt. Während die übrige Instrumentalfraktion der Originalbesetzung noch kein Album veröffentlicht hat, veröffentlichte die Zouille-Version 2021 mit “Phoenix” eine LP, die vorwiegend aus Neuaufnahmen alter Klassiker bestand. Nun folgt mit “Apocalypso” der erste Tonträger mit gänzlich neuen Songs. Wie also stellen sich Zouille und seine neuen Kollegen an? Und vor allem: Können sie mit den kultigen Klassikern aus den Achtzigern mithalten?
“Apocalypso” beinhaltet die ersten neuen Songs seit 37 Jahren!
Okay, die letzte Frage ist zugegebenermaßen fies. Welche Band vermag das schon? Im Gesamteindruck schlagen sich die neuen SORTILÈGE ehrlicherweise recht überzeugend. Christians Stimme ist beeindruckend gut gealtert; die vielen Jahre Pause scheinen dem Sänger gut getan zu haben. Er singt unverkennbar und mit kräftiger Stimme wie vor über dreißig Jahren und sorgt allein dafür, dass “Apocalypso” eine grundsätzlich interessante Angelegenheit ist. Die Produktion ist zeitgemäß und wird einigen Anhänger:innen der Eighties möglicherweise ein wenig zu glatt sein. Immerhin hört sie sich nach einem richtigen Tonstudio und nicht nach aufgemotztem Homerecording an. Aber ja, Kick- und Snaredrum sind etwas zu steril geraten und tönen nach Andy Sneap; dafür braten die Gitarren wie in besten RUNNING-WILD-Zeiten.
SORTILÈGE beweisen sich
Als Album funktioniert “Apocalypso” zwar mit Einschränkungen, als Quasi-Comeback, bei dem die Band beweisen muss, dass sie in der Lage ist, hochklassige neue Songs zu schreiben, funktioniert es hingegen ziemlich gut. Der Opener “Poseidon” macht dem gleichnamigen Meeresgott zunächst alle Ehre. Mächtige Riffs und die erhabene Stimme von Zouille versetzen einen sofort in das Feeling der alten Platten und man kann sich auf eine Platte mit stabilem Nostalgie-Entertainment einstellen. Theoretisch.
Hätten SORTILÈGE in der ersten Hälfte von “Apocalypso” nicht den Fehler gemacht, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Die an neuere VICIOUS RUMORS erinnernden schleppenden Groover “Attila” und “La Parade Des Centaures” passen mit ihrer erzwungen auf modern getrimmten Kante nicht zu den oldschooligen Tracks des Albums und sind generell ein Ärgernis, das an einige Unfälle aus den Neunzigern erinnert, als Bands aus jedem Genre meinten, PANTERA seien ein absolut zwingend zu verarbeitender Einfluss. Auch “Le Sacre Du Sorcier” nervt mit unfassbar plumpen “Oh oh oh”-Männerchören, die durchaus eine gewisse Gänsehaut der Fremdscham erzeugen können.
Insgesamt ein gelungenes Comeback
In den übrigen Tracks können SORTILÈGE allerdings wieder Land gewinnen, nicht zuletzt, weil die Mischung aus puristischer Tradition (“Walkyrie”, “Encore Un Jour”) und Weiterentwicklung sehr gelungen ist. Im Titeltrack treffen gekonnte orchestrale Arrangements auf epischen Doom und zeugen ein wunderschönes Baby. Bei “Trahison” funktioniert der stampfende Groove endlich mal und “Derrière Les Ports De Babylone” überzeugt mit cleveren Arrangements.
Die Bilanz könnte schlechter sein. Drei Stinker, die größtenteils immerhin überragend gesungen sind und eine ganze Palette weiterer Highlights. Insgesamt hätten “Apocalypso” ein paar klassischere Songs gut getan, weil bei all der Vielfalt ein wenig der rote Faden verloren geht. Doch haben sich dutzende Bands bei derlei Vorhaben schon weitaus mehr verrannt und deswegen kann man allen Liebhaber:innen der alten SORTILÈGE-Alben “Apocalypso” durchaus empfehlen.
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