Sorcerer - Reign Of The Reaper

Review

Seit ihrer Rückkehr mit „In The Shadow Of The Inverted Cross“ hauen SORCERER ein geniales Album nach dem anderen raus. Den Gipfel des Epic-Doom-Olymps erreichten die Schweden 2020 mit „Lamenting Of The Innocent“, praktisch durch die Bank weg gefeiert von Fans und Presse. Da noch einen drauf zu setzen wird kein einfaches Unterfangen, aber wenn es jemandem zuzutrauen ist, dann sicherlich der Truppe um Edelstimme Anders Engberg.

SORCERER – Rückschritt in die eigene Vergangenheit?

Auf den ersten Blick stehen die Zeichen auf „Reign Of The Reaper“ eher wieder ein wenig auf Rückschritt. Das Cover-Artwork ist wieder deutlich düsterer als das, ähem, doch sehr plakative Werk von Dušan Marković auf dem direkten Vorgänger. Auch die Spielzeit, sowohl der einzelnen Songs als auch im gesamten, wurde wieder deutlich zurückgeschraubt. Dennoch, eine Rückkehr zum ersten Album oder gar zu Demotagen der frühen Neunziger braucht niemand zu befürchten – oder zu erhoffen, wenn man zur Fraktion „Das Demo war aber besser“ gehört.

Der Beginn von „Morning Star“ klingt genau danach, nach Aufbruch an einem sonnigen Morgen, Aufbruch in ein Abenteuer oder in die Schlacht. Ist das Intro noch sehr episch gehalten und schließt somit nahtlos an „Lamenting Of The Innocent“ an, kommen gerade die Strophen trockener, knackiger und metallischer daher. Aber keine Angst, mitreißende Refrains können SORCERER immer noch, in diesem Fall allerdings auch eher simpel und effektiv als übertrieben episch. Das Ende des Openers liefert dann das erste Mal so richtig Gänsehautfaktor. Wer diese Chöre nicht mit hoch erhobener Faust mitgrölt, hat sowieso die Kontrolle über sein leben verloren.

Der Titeltrack ist erneut fast schon traditionell relativ lang geraten, allerdings locker zwei Minuten kürzer als auf dem Vorgänger, außerdem auch nicht längster Song der Platte. Die Herrschaft des Sensenmanns wird zwar mit schleppenden Riffs unterlegt, trotzdem möchte man bei Engbergs leidenschaftlicher Intonierung den dunklen Reiter geradezu herbeiwünschen. Waren wir nicht gerade schon bei Gänsehaut? Egal, die ist bei SORCERER ja fast schon Standard. „Thy Kingdom Will Come“ zieht nicht nur das Tempo an, auch der Gesang klingt hier deutlich mehr nach klassischem Heavy Metal, was allerdings nicht bedeutet, dass es weniger düster als auf dem Rest der Platte zugeht. Vielmehr perfektioniert die Band hier, wie man Epik völlig ohne Kitschfaktor oder vor Pathos triefend inszenieren kann (nicht wahr, MANOWAR?).

Passend zur griechischen Mythologie schwanken die Melodien in „Curse Of Medusa“ zwischen Orient und Okzident. Ein willkommener Farbtupfer in der Setlist zwischen der meist klassischeren Herangehensweise, ohne dass damit gemeint wäre, dass sonst Langeweile aufkommen würde. Trotzdem, einige Songs stechen natürlich heraus und „Call Of The Medusa“ ist genau so ein Highlight, dem das gestraffte Songwriting im Übrigen ganz besonders gut zu Gesicht steht.

„The Underworld“ gehört zum düstersten, geradezu aggressivsten, was SORCERER bislang veröffentlicht haben, obwohl die auf „Lamenting Of The Innocent“ kurz angetesteten Growls von Bassist Jason Biggs wieder komplett weggelassen wurden und zitiert dabei auch große Klassiker. Bei der ausgeprägten Betonung auf dem Wort „Light“ schießt dem Hörer unweigerlich MANOWAR durch den Kopf, ein leichtes Grinsen lässt sich entsprechend kaum verkneifen. Wenn jemand das aber nicht nur kann sondern auch darf, dann sind es Engberg und Co. Fast schon unnötig zu erwähnen, dass „Break Of Dawn“ erneut ein bärenstarker, doomiger Rausschmeißer geworden ist, der den Sack mit seinen traumhaften Soli gekonnt zumacht und fein säuberlich verschnürt.

Mehr düstere Atmosphäre, weniger Ohrenschmeichler – „Reign Of The Reaper“

Auch mit „Reign Of The Reaper“ zeigen SORCERER wieder, dass sie ihre Komfortzone, irgendwo zwischen Epic Doom und klassischem Heavy Metal, gefunden haben und es eher Nuancen sind, die sich von Album zu Album verändern. Wenn so hoch qualitatives Material dabei herauskommt ist das natürlich auch wahrlich nichts schlechtes. Dieses Mal schlägt das Pendel wieder ein wenig mehr in Richtung einer düstereren Atmosphäre aus, die Songs sind straffer, klingen nicht ganz so episch wie auf „Lamenting Of The Innocent“ und die allzu ausladenden Melodielinien sind etwas rarer gesät.

So bewegen sich SORCERER auch mit ihrer neuesten Platte auf allerhöchstem Niveau, egal ob man die wieder etwas stärker in den Fokus gerückte Gitarrenfraktion Niemann/Hallgren oder die tatsächlich noch einmal gesteigerte Sangesleistung vom über jeden Zweifel erhabenen Anders Engberg betrachtet. „Reign Of The Reaper“ wird abermals niemanden enttäuschen, Fans können sowieso blind zugreifen.

20.10.2023

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

Exit mobile version