Schere, Stein, Papier“ startet eigentlich äußerst geschmeidig. Der ultrachillige Ohrwurm „Amsterdam“ ist eine gute Einstimmung auf das Album, ebenso wie der folgende melodische Punkdreher „Waffenschein Bei Aldi“. Die SONDASCHULE zeigt sich gewohnt kritisch, macht Dampf mit zackigen Ska-Beats und doppeldeutigen, lustigen Texten. Von da an starten die Ruhrpott-Ska-Punker eine Berg- und Talfahrt, die ihnen nicht immer steht und ein gewisses Kalkül vermuten lässt. SONDASCHULE haben einerseits den Drang sich noch deutlicher als sonst zu positionieren, jedoch fehlt es andererseits an entsprechender Substanz. Auf den dezenten und äußerst gelungenen Kurswechsel des Vorgängeralbums „Schön Kaputt“, folgt nun also eine kleine Pleite. Dumm aber glücklich war gestern.
Musik eins, Deutsch drei bis vier
Über den Inhalt der Stalkerhymne „Mond“ lässt sich sicherlich streiten. Entspannte Bläser grooven den Hörer umgehend auf den Takt ein, allerdings beschäftigt man sich ständig mit der Frage warum er denn nicht lieber klingelt und stattdessen die ganze Nacht vorm Fenster steht. Das heftig angetriebene „Palermo“ arbeitet ebenfalls mit bitteren Zwischentönen, die der ersten Fröhlichkeit sofort einen Dämpfer verpassen. Scheint keine gute Zeit gewesen zu sein, denn einen Song über den Wunsch einer todgeweihten Person einen schönen letzten Moment zu organisieren, greift man nicht aus der Luft. Genieße den Augenblick, das steht unterm Strich und passt wiederum gut zur Band.
Der Titelsong könnte problemlos den BROILERS oder DIE TOTEN HOSEN untergeschoben werden, wer pathosgeschwängerte Texte mit auf Radiotauglichkeit geprüftem Rock mag, wird hier fündig. Mit „Gold Digger“ legen die SONDSCHULE noch eine Schippe drauf und zünden ein wahres Phrasenfeuerwerk. Lediglich das Wort „Scheiße“ lässt erahnen, wer hier ehemals so wortgewandt und rebellisch war.
„Ostberlin“ und „Arschlochmensch“ gehen nach hinten los
Die Songs „Ostberlin“ und „Arschlochmensch“ fallen leider in die Kategorie „gut gemeint und schlecht gemacht“. Sicherlich ist klar, dass SONDASCHULE mit dem überzogenen Text, gespickt mit mittlerweile an jeder Ecke zu hörenden Ich-bin-ja-kein-Nazi, aber-Aussagen, provozieren und eine krankende Gesprächskultur zum Thema Flüchtlinge an den Pranger stellen wollen. Wenn dem Hörer aber die harten Textzeilen im Halse stecken bleiben, ist der Trick nicht nur nach einem Mal Hören verspielt, sondern auch das Ziel verfehlt. Welche Motivation gibt es das Lied „Ostberlin“ ein weiteres Mal zu hören? Sollen wir sowas laut auf Konzerten singen, wohl wissend dass es sich um Ironie handelt?
Des Weiteren sollten, nein müssen!, Songs wie „Arschlochmensch“ deutlich mehr Inhalt liefern. Da hat die SONDASCHULE zum gleichen Thema schon mehrfach selbst besser gehasst, dass das innerhalb der Band selbst niemandem aufgefallen ist, ist wirklich seltsam. „Unpollidisch“ von WIZO und „Unkraut“ von LOVE A nehmen sich den Themen deutlich cleverer an.
Was steht also auf der Haben-Seite der besten Schule aus dem Ruhrgebiet und führt letztendlich zu aufgerundeten 5,5? Sicherlich die ersten beiden Songs der Platte, ebenso wie der überwiegende Teil des instrumentalen Arrangements und auch die leisen Töne bei „Mein Herz“ und „Zu Kurz Um Lang Zu Denken“. Nichtsdestotrotz unterliegen gute Bandgeschichten auch kreativen Zyklen, die SONDASCHULE schickt hier sicherlich nicht ihren besten Jahrgang ins Rennen. Für „Schere, Stein, Papier“ hat die Band zu Gunsten von Massentauglichkeit leider viele Prinzipien über Bord geworfen, die sie liebenswert und einzigartig gemacht haben.
A im bandnamen vergessen.
Kann man aber bei dem Namen durchaus machen und sich als Fan outen 😉
Ups, danke für den Hinweis! Schere – Stein – paar Bier…
Kenn ich 😉
Gibt dem Ganzen aber fast einen philosophischen Anstrich die falsche schreibform des Wortes sonderschule falsch zu schreiben 😉