Sonata Arctica - The Ninth Hour

Review

„The Ninth Hour“ sei ein ganz anderes Album geworden als geplant, verriet uns SONATA ARCTICA-Frontmann Tony Kakko im Interview. Ursprünglich hätte er mal wieder ein schnelleres, härteres Album schreiben wollen, aber nach einer Pause kamen andere Songs aus ihm heraus. Fans der alten SONATA ARCTICA-Tage merken an dieser Stelle: Oha, der ursprüngliche Plan hätte großartig werden können. Aber ob das mit der von Herrn Kakko selbst gegebenen Einschränkung was werden kann? Nun wird natürlich niemand anno 2016 noch ein zweites „Ecliptica“, „Silence“ oder „Winterheart’s Guild“ erwarten. Trotzdem bleibt natürlich die Frage offen, ob es denn zumindest ein bisschen was vom ursprünglich geplanten Ansatz auf „The Ninth Hour“ geschafft hat. Die Antwort: nein, nicht wirklich.

SONATA ARCTICA anno 2016: Zwischen poppiger Eingängigkeit …

SONATA ARCTICA orientieren sich auf ihrem zehnten Album (rechnet man die Neueinspielung des Debüts „Ecliptica“ mit) an jenem poppigen Metal, den sie auf ihren letzten Alben als Bandsound etabliert haben, und fügen wieder ein bisschen mehr Progressivität hinzu. Auf „The Ninth Hour“ auch dazugekommen ist allerdings eine bisher ungehörte Vielzahl an Balladen und Halbballaden. Die stellen den größten Kritikpunkt dar, den sich SONATA ARCTICA heuer gefallen lassen müssen.

Denn die poppig-eingängigen, melodischen „Power“-Metal-Anteile sind nicht besser oder schlechter als die von „Stones Grow Her Name“ oder „Pariah’s Child“. Hier ist sich der finnische Fünfer um Tony Kakko treu geblieben, und dieser Teil des Albums, als Beispiel sei das eröffnende Dreierpack „Closer To An Animal“, „Life“ und „Fairytale“ genannt, macht Spaß. Dabei darf man der neueren SONATA ARCTICA-Gangart natürlich nicht gänzlich abgeneigt sein, denn dass diese Songs kein „FullMoon“ oder „The Cage“ sind, müssen Fans der alten Tage in ihrer Erwartungshaltung berücksichtigen.

Galerie mit 14 Bildern: Sonata Arctica - Promofotos 2016

… und Zahnschmerz-Kitsch.

Die balladesken Anteile von „The Ninth Hour“ hingegen sind so kitschig, wie SONATA ARCTICA-Balladen schon immer waren, das aber in einem von dieser Band bisher ungehörten Maße. Allein die Anzahl der langsamen Zahnschmerz-Stücke übertrifft alle Alben der bisherigen Diskografie – da hätten wir „We Are What We Are“, „Among The Shooting Stars“, „Candle Lawns“ und eine abschließende Variation des Openers namens „On The Faultline (Closure To An Animal)“. Dazu gesellt sich die Fortsetzung zu „White Pearl, Black Oceans“ (von „Reckoning Night“), die unter dem Titel „White Pearl, Black Oceans Part II – ‚By The Grace Of The Ocean'“ auf der „The Ninth Hour“-Tracklist steht und um ein Vielfaches schnulziger daherkommt, als der erste Teil.

Das macht unter dem Strich also fünf Stücke, die wohl die wenigsten Leute hören wollen, die sich ein Metalalbum kaufen. Hinzu kommt, dass die Balladen zwar handwerklich vortrefflich eingespielt sind – das jedoch ist von SONATA ARCTICA zu erwarten -, dabei aber kompositorisch kaum mit den Experten des Schnulzengenres mithalten können. Lieber Herr Kakko: Balladen sollten wir Metaller vielleicht denen überlassen, die davon leben. Natürlich ist nichts dabei, so ein melodisches Metalalbum durch eine oder zwei davon aufzulockern, um Dynamik und Abwechslung zu schaffen – aber „The Ninth Hour“ besteht fast zur Hälfte aus balladesken oder halbballadesken Stücken. Sie dürfen sich fragen, ob das wirklich allzu viele Fans gut finden werden. (Nur um das klarzustellen: Hier spreche ich nicht nur von den Fans der frühen Tage.)

„The Ninth Hour“: ein zweischneidiges Schwert.

„The Ninth Hour“ ist also ein zweischneidiges Schwert. Fans der frühen SONATA ARCTICA-Werke werden mit dem Album so oder so wenig anfangen können, aber auch Leute, die „Pariah’s Child“ oder „Stones Grow Her Name“ mochten, könnten enttäuscht werden. Wer darüber hinwegsehen kann (oder es mag), dass sich fünf von elf Stücken des Albums kaum mit dem Begriff „Metal“ in Einklang bringen lassen, der kann seinen Spaß mit den verbleibenden sechs Stücken haben. Ansonsten … . Na ja, vielleicht gibt es ja nächstes Mal das schnellere, härtere SONATA ARCTICA-Album, das Tony Kakko eigentlich schon dieses Mal schreiben wollte.

30.09.2016
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