Sólstafir - Masterpiece Of Bitterness

Review

Jede verdammte Band sagt über ihren aktuellen Output, dass es das beste Album ist, das sie jemals aufgenommen hat. Und endlich – endlich – hat eine Band mal nicht gelogen oder maßlos übertrieben! SÓLSTAFIR aus dem fernen Island bringen mit „Masterpiece Of Bitterness“ das perfekte Album heraus! Es hat einfach alles, was ein gutes Album ausmacht: Abwechslung, Eigenständigkeit, Atmosphäre, Emotionen, Kanten und eine Hitdichte, die praktisch der Anzahl der Titel entspricht. Ich kann ruhigen Gewissens behaupten, dass der neue Flachteller wesentlich erwachsener, durchdachter und organischer, als der letzte rüberkommt. Es ist ohrenscheinlich, wie die Band mit der Zeit und ihren Veröffentlichungen gewachsen ist. Die letzte Scheibe „Í Blóði Og Anda“ war wirklich gut und doch zeichnete sie sich eher durch Extreme aus. Auf der einen Seite der überwiegend ruhige Song „Bitch In Black“, der besonders durch den klaren Gesang hervorstach und auf der anderen Seite „Tormentor“, ein Song, der nicht gesungen, sondern geschrieen und mit ultra-schnellem Drumming unterlegt wurde. Mag sein, dass Extreme eine Scheibe gegenüber dem Durchschnitt, interessant machen, doch viel interessanter ist ein in sich ausgewogenes Album, das beide Extreme einvernehmlich miteinander verbindet. Der Schreigesang früherer Tage ist fast völlig verschwunden und durch einen Raugesang ersetzt worden, welcher immer wieder den Clean-Vocals Platz macht. Der Klangcharakter der Scheibe ist einfach genial und kommt sehr lebendig rüber, das ist der Tatsache zu verdanken, dass viel mit Echo und Hall gearbeitet wurde. Das Echo erweitert den imaginären Vorstellungsraum, der den Sänger umgibt und versetzt den Hörer in Gedanken in die raue, wüste und kalte Natur Islands. Der Hall wiederum wirkt sich sehr auf die Atmosphäre der Platte aus. Die Grundstimmung der Platte ist, wie der Name es schon andeutet, Bitterkeit – die Komposition scheint mit den Gefühlen zu spielen und diese gar zu verstärken: mal hört sich die Musik nach absoluter Traurigkeit, dass man heulen könnte, an und dann wiederum nach ungebändigter Kraft. Die Musik der Isländer lässt die Grenze zwischen Realität und Fiktion, zwischen Normalität und Wahnsinn verschwimmen – es ist verstörend und gleichzeitig was zum Nachdenken. Wer den großartigen isländischen Film „Engel des Universums“ (Originaltitel: „Englar Alheimsins“) gesehen hat, wird wissen, wie sich die Musik anfühlt, denn es könnte genauso der Soundtrack dazu sein. Man kann schlecht beschreiben was das Album mit einem macht, wie es auf einen wirkt. Es gibt eigentlich auch keine Genrebezeichnung, die wie die Faust aufs Auge passen würde. Es ist weit entfernt von den Black Metal-Klängen früherer Veröffentlichungen. Es ist eher avantgardistisch, erinnert streckenweise sehr an Ambient und weißt sogar Doom-Anleihen auf. Dieser isländische Sound ist unverwechselbar und die bereits angesprochenen Kanten, das etwas schmutzige, dumpfe Schlagzeug und diese minimalistischen, sich oft wiederholenden Riffs tragen ihren Teil dazu bei, die Eigenständigkeit dieses Werkes zu untermauern. Die Einzigartigkeit wird durch die Tatsache unter Beweis gestellt, dass man nichts, aber auch wirklich gar nichts an dem Album kritisieren kann! Und ich bin der festen Überzeugung, dass bald jeder musikliebende Durchschnitts-Europäer in Bezug auf ihm bekannte isländische Bands/Künstler SÓLSTAFIR im gleichen Atemzug nennen wird, wie auch BJÖRK und SIGUR RÓS. „Masterpiece Of Bitterness“ ist einfach ein Meisterwerk. Ein Meisterwerk von Bitterkeit!

11.01.2006
Exit mobile version