Solitary (DE) - Solitary

Review

Ich war entsetzt. Entsetzt, als nach anfänglichem Gitarrengeschrammel, das so schon mal ganz gut gefiel, auf einmal der Gesang einsetzte. So eierlos, damit hätte niemand rechnen können. Dass sich in meinen Player ein Progrockalbum verirrt, ist ja alles andere als eine Seltenheit. Da bin ich es im Grunde gewöhnt, dass die Vocals auch mal ziemlich schwülstig sein können – einige Genregrößen haben mit derlei Gesang wirklich große Klassiker geschaffen. Bei SOLITARYs „Freedom Of Speech“, dem Opener der selbstbetitelten EP, stört mich der Gesang allerdings sehr; er wirkt, man verzeihe mir die wirklich harsche Kritik, einfach nur bubihaft. Dass die Cleanvocals ab und an von Growls vertreten werden, schafft da keine Abhilfe – im Grunde wirkt es eher ungewollt komisch. Die Growls jedenfalls sind ziemlich platt und wirken in dem Song einfach deplatziert. Ein nicht hervorstechender Gesang ist in den progressiven Gefilden aber meist verzeihlich, viel wichtiger ist das Instrumental. Diesbezüglich machen SOLITARY beim ersten Song ihre Arbeit recht ordentlich. Die Gitarrenriffs gehen in Ordnung, weder langweilig, noch sonderlich spektakulär kommen sie daher. Überflüssig wirkt hingegen, gerade zu Anfang des Songs, das Keyboard: Statt schmückend-atmosphärisches Beiwerk zu sein, waschen die Keyteppische die Musik vielmehr weich. Besser wird das allerdings, wenn die Keyboards in proggiger Hammondorgelmanier daherkommen. Da wird es dann auch rhythmisch recht nett. Gen Ende des Songs werden auch die Vocals besser, ein gehetzer Eindruck kommt auf, der vom Instrumental treibend unterstrichen wird. Somit erweist sich „Freedom Of Speech“ am Ende doch noch als mehr oder weniger gelungen.

So viel also zum Opener, der mir vor lauter Schreck nicht die Chance ließ, etwas über die Band an sich zu erzählen. SOLITARY ist eine junge Band aus Deutschland, die sich nach Eigenaussage lose gebunden am progressiven Rock- und Metal-Bereich, in dem die Erscheinung der Musik einem fortwährenden, niemals stillstehendem Prozess unterliegt, orientiert. Dass da ein ziemlich hoher Anspruch hintersteckt, ist bei solchen Worten zu erwarten. Die Jungs geben sich auch wirklich Mühe, diesem nachzukommen und ihre Ziele zu erreichen – leider nur reicht es dafür an allen Ecken und Enden nicht. Technisches Können kann man der Band nicht absprechen und auch vom Songwriting verstehen sie etwas. Leider nur führt all das nicht zu dem Resultat, das man sich wünschen würde.
Sicher, „Solitary“ hat wirklich gute Momente vorzuweisen; erwähnter Part gen Ende des Openers etwa ist wirklich etwas, das einen aufhorchen und gebannt lauschen lässt. Auch in „The Last Remaining Light“, dem zweiten und längsten Track des Albums, finden sich fesselnde Passagen; der Mittelteil etwa, der nach einer langen Zeit ruhiger Keyboardklänge in einem schönen, verträumten und schwelgerischen Gitarrenpart erstrahlt. Leider nur sind diese Momente in der Minderheit, das meiste ist einfach durchschnittlich. Dem dritten Song „Of Death And Despair“ kann man sicher nicht absprechen, dass er gut gemacht ist, aber ich für meinen Part kann es nicht ernstnehmen, wenn mir zu flotten Gitarrenpickings und gut aufgelegtem Midtempodrumming eine fröhliche Stimme von Tod und Verzweiflung erzählen will. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich aus dem Extremmetalbereich nun mal ganz andere Härten gewöhnt bin. Wie dem auch sei, ich mag mich nicht damit anfreunden, dass mir ein gut gelaunter Singsang Textzeilen wie „Turrets Breed/demonic seed/and craters grow/where bullets fall“ nahezubringen versucht.
Das größte Problem, das „Solitary“ hat, ist nicht, dass es musikalisch schlecht ist; ganz im Gegenteil, SOLITARY haben vier gute Songs komponiert, die sie technisch fit herüberbringen. Ich bin mir sicher, dass sie damit ihre Anhängerschaft finden, und ich gehe auch davon aus, dass mich ein kommendes Album der Band durchaus positiv überraschen könnte. Das vorliegende Release jedoch hat eine ganz große Schwäche: Es ist wirklich optimale Musik, um von mir nebenbei angehört zu werden. Das spricht zwar für eine gewisse Schönheit der Songs, jedoch kann und darf genau das im Bereich progressiver Musik nicht der Fall sein. Prog muss nach Aufmerksamkeit und Konzentration des Zuhörers schreien, sonst hat er als solcher kaum Daseinsberechtigung. Easy-Listening jedenfalls ist das genaue Gegenteil dessen, was ich mir von Prog erwarte. Und das heißt nicht, dass ich nicht ohne komplizierteste Rhythmen, wahnwitzige Melodieführungen und extreme Vertracktheit leben kann – ein Album muss einfach nur meine Aufmerksamkeit erzwingen. Genau das tut „Solitary“ leider nicht.

Im Grunde tut es mir Leid, SOLITARY nur eine so geringe Wertung zu können. Das Album kann eindeutig was, das steht außer Frage. Mir allerdings fehlt da viel zu viel, wobei es nicht um kleine Schwächen wie schwülstige Vocals oder eine schwache Produktion, bei der das schnellere Drumming ziemlich verkorkst klingt, geht – das alles ist bei einer Eigenproduktion durchaus verzeihlich. Nichtsdestotrotz möchte ich das Werk denen empfehlen, die progressivere Musik für nebenbei zu schätzen wissen. Auf der Bandhomepage reinhören und selbst entscheiden, das schadet in diesem Fall sicher nicht.

10.10.2007
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