Slipknot - The End, So Far

Review

SLIPKNOT sind seit ihrer Gründung in 1995 ein Phänomen. Neun durchgeknallte Freaks in Overalls und Masken, die ein musikalisches Inferno aus brutalem Metal, Hip-Hop-Einflüssen und lärmenden Bierfass-Percussions abbrennen und damit rasant durch die Decke gingen. Bereits das selbstbetitelte Debüt von 1999 schlug ein wie eine Bombe und bescherte der Band einen loyalen bis teils fanatischen Fankult, der seitdem den Namen „Maggots“ (Maden) trägt.

Glich das erste Album schon zu weiten Stellen einer reinen Schreitherapie, setzten die Neun mit ihrem noch brutaleren Zweitwerk „Iowa“ noch einen drauf und lieferten einen unsterblichen Metal-Klassiker, der sie endgültig zu etablierten Topstars machte. Selten hat ein so extremes musikalisches Werk so großen Erfolg und Aufmerksamkeit innerhalb von Subkultur und Mainstream bekommen und beide Seiten nachhaltig geprägt.

Dieser riesige Erfolg brachte leider auch seine Schattenseiten mit sich. Nachdem die Band mit ihren ersten beiden Alben und den komplett wahnsinnigen Shows durchgehend Vollgas gegeben hatte, waren die Mitglieder am Ende des „Iowa“-Zyklus ausgebrannt und zerstritten. Nachdem sich unter anderem Drummer Joey Jordison und Corey Taylor sich mit ihren anderen Bands MURDERDOLLS und STONE SOUR kreativ austobten und sie ebenfalls zu bekannten Namen machten, fanden sich die Maskenmänner wieder für ein neues Album zusammen.

„Vol. 3: (The Subliminal Verses)“ stellte eine musikalische Wendung für die Band dar, die bis heute nachhallt und die Fans spaltet. Wo vorher rasende Aggression und verstörender Wahnsinn herrschten, schaffte die Band Platz für ruhigere Töne und erste Balladen. Der Erfolg war damit natürlich nachhaltig gesichert und bis zum tragischen Tod von Bassist Paul Gray in 2010, war die Band durchgehend auf der Überholspur.

Dieser Verlust musste erst mal sacken und mit „.5: The Gray Chapter“ musikalisch verarbeitet werden. Nach der überstandenen Tragödie folgten weitere wie der Rauswurf ihres legendären Drummers Joey in 2013 und dessen überraschender Tod im Sommer 2021 sowie der umstrittene Abschied ihres langjährigen Percussionisten Chris Fehn in 2019. Die neun Masken wollten jedoch trotz allem nicht verstummen und veröffentlichen mit „We Are Not Your Kind“ ein passendes Statement. Nach der einer weiteren erzwungenen Ausbremsung durch Corona, soll nun ein Nachfolger unter das Volk geprügelt werden. Dieses hört auf den kryptischen Titel „The End, So Far“.

SLIPKNOT – haben Härte und Finsternis nicht verlernt

Im Vorfeld wurde das Werk von der Band als heftigere Version von „Vol. 3“ beschrieben und der Opener „Adderall“ weckt mit seinem balladesken Charakter auch direkt Erinnerungen an die Eröffnung des Werkes von 2004. Auch hier gab es mit „Prelude 3.0“ einen überraschend melancholischen Einstieg. „Adderall“ hätte auch gut bei STONE SOUR Platz gefunden und ist vielleicht als ruhiger Einstieg etwas zu lang geraten, um intensive Spannung aufzubauen.

Diese gibt es mit dem vorab veröffentlichten „The Dying Song (Time To Sing)“ umso mehr. Der Song zeigt, wie SLIPKNOT ihre Mischung aus zertrümmernder Härte und mitsingbaren Melodien mittlerweile perfektioniert haben und fräst sich direkt langfristig ins Ohr. Die ebenfalls seit längerer Zeit veröffentlichte Abrissbirne „The Chapeltown Rag“, klingt dagegen sperriger und bleibt im Vergleich nicht direkt so hartnäckig hängen. Der Song ist trotzdem sehr intensiv und man merkt, dass vor allem Corey mal wieder ordentlich Dampf ablassen musste.

Mit der dritten Single „Yen“ werden wieder ruhigere Töne angeschlagen. War der Opener „Adderall“ eher schmusig angelegt, öffnet sich hier jedoch ein tiefes schwarzes Loch. Bedrückende Horroratmosphäre trieft wie zähes Blut auf den Hörer herab und der starke Refrain haftet sich fest wie ein hartnäckiger Dämon. Erlösung und Gnade sind anschließend auch von „Hivemind“ nicht zu erwarten. Blastbeats zum Einstieg und ein flirrendes Riff, dass sich windet wie ein kriechender Schwarm Maden, leiten hinüber zu einen Corey, der Gift und Galle spuckt.

„The End, So Far“ – kein neues „Iowa“, aber auch hoffentlich noch lange kein Ende

„Medicine For The Dead“ und „Acidic“ bilden ein melancholisches Paar und in „H377“ klingt Corey stellenweise wie ein besonders angepisster EMINEM, der den Metal für sich entdeckt hat. „Finale“ geleitet zum Ende wieder mit ruhigen Tönen hinaus, wirkt hier zum Abschluss jedoch wesentlich passender, als der etwas deplatziert wirkende Opener. Auch musikalisch bietet die emotionale Ballade wesentlich mehr Vielfältigkeit. Die stellenweise eingesetzten Chöre wirken vielleicht ein kleines bisschen too much, aber der starke Gesang und das schlaue Arrangement machen das locker wieder wett.

Was bleibt zum im Albumtitel erwähnten „The End“ also zu sagen? Wer auf ein neues „Iowa“ gehofft hat, wird auch hier wieder enttäuscht. Aber muss es das sein? Dieses Album liegt mittlerweile zwanzig Jahre zurück und SLIPKNOT sind musikalisch und menschlich vielseitiger geworden. Die Brutalität auf „Iowa“ war kein musikalisches Stilmittel, sondern Vertonung des Geisteszustandes der Mitglieder zu dieser Zeit. Die Band müsste heutzutage ebenso ausgebrannt, wahnsinnig und selbstzerstörerisch wie damals sein, um ein Album wieder so klingen zu lassen.

Mit Mitgliedern jenseits der Vierzig und mit Familie kann das nicht erwartet werden. Und dass sie trotzdem noch genug Wut und Energie in sich tragen, beweisen sie auf den entsprechend erwähnten Songs in dieser Review und bei ihren immer noch mächtigen Liveshows. Nur ist der Wahnsinn heutzutage kontrollierter und mehr im Detail. Es bleibt also zu hoffen, dass SLIPKNOT auch nach allen internen Verlusten, Streitereien und fortschreitendem Alter trotz eines Albumtitels wie „The End, So Far“, noch eine ganze Weile weiter Gehörgänge und Bühnen zertrümmern.

27.09.2022
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