Sleep - The Sciences

Review

Galerie mit 22 Bildern: Sleep - Tour 2018

Praktisch über Nacht überraschte das legendäre Stoner-Doom-Trio SLEEP seine Anhängerschaft, als sie verkündeten, dass am nächsten Tag – dem 20. April – ihr neues Album „The Sciences“ erscheinen würde. Knapp 20 Jahre hat es gedauert bis sich die Stoner-Gemeinde nun endlich den Nachfolger des hochgelobten Albums „Dopesmoker“ zu Gemüte führen kann. Dass sich die drei Cannabis-Enthusiasten aus Oakland ausgerechnet den internationalen Gras-Tag für ihr Release ausgesucht haben, überrascht angesichts des thematischen Bezugs zum grünen Kraut in ihren Songtexten kaum. Also schnappt euch eure Bongs und macht euch bereit aus dem Leben zu fallen: Hier ist die Review zu „The Sciences“.

SLEEP – Ein Rückblick

Bassist und Sänger Al Cisneros, Gitarrist Matt Pike und Drummer Chris Hakius stampften 1990 aus den Resten ihres vorherigen Projekts ASBESTOSDEATH die Stoner-Rock-Formation SLEEP aus dem Boden. Da konnte noch niemand ahnen, dass das Trio innerhalb weniger Jahre Geschichte schreiben würde. Ihrem 1991 erschienenen Debüt „Volume One“ folgte ein Jahr später „Sleep’s Holy Mountain“, welches als Meilenstein in die Geschichte des damals aufblühenden Genres einging.  Noch heute zählt es aufgrund von legendären Songs wie „Dragonaut“ oder „Aquarian“ zu den besten Stoner-Alben aller Zeiten. 1995 begannen die Kalifornier schließlich mit ihren Arbeiten zu „Dopesmoker„, einer einstündigen Doom-Hymne, welche die Grenzen des Genres neu definierte und SLEEP unsterblich machte. Nach bandinternen Streitigkeiten und Auseinandersetzungen mit dem Label löste sich SLEEP schließlich 1998 auf. „Dopesmoker“ kam zunächst nur in einer von London Records überarbeiteten Version unter dem Namen „Jerusalem“ heraus. In seiner eigentlichen Version und dem ihm zugedachten Titel erschien der Song dann 2003.

Pike und Cisneros betraten 2009 mit NEUROSIS-Drummer Jason Roeder im Gepäck erneut die Stoner-Rock-Bildfläche und sorgen seitdem live mit „Dopesmoker“ & Co. für exzessive Grenzerfahrungen. Die Hoffnung auf einen Nachfolger der Platte klang nie ab. 2014 bestätigte Cisneros, dass man ein neues Album plane. Im selben Jahr erschien mit der Single „The Clarity“ endlich neues Material. Im November 2017 wies dann ein ominöser Morsecode auf der Band-Website darauf hin, dass die Arbeiten an Album Nummer vier so gut wie abgeschlossen seien.

„The Sciences“ – Auf den Spuren von „Dopesmoker“ und „Holy Mountain“

Eröffnet wird das langersehnte Werk vom Titeltrack, welcher unverkennbar eine Brücke zum hochgepriesenen „Dopesmoker“ schlägt. Das schrill verzerrte, von Feedback überladene und beinahe unmelodische Intro erinnert unweigerlich an den Sound, den Gitarrengott Matt Pike stets zu Beginn seiner Konzerte ertönen lässt. „The Sciences“ verströmt eine dunkle, geerdete Aura, die mit ihrer überwältigenden Klangkulisse dem Hörer die Luft abschnürt. SLEEP sind lebendig wie eh und je. Beispiel? Das monumentale Riff-Gewitter „Marijuanaut’s Theme“ mit seiner punktgenauen Rhythmik und Al Cisneros‘ meditativ-monotonem Vocal-Mantra. Es ist ein Hybrid aus Einflüssen der melodischen „Holy Mountain“-Ära und stampfend-dröhnenden „Dopesmoker“-Tönen. Als wäre diese Mischung nicht schon explosiv genug, wartet der Song mit einem von schweißtreibender Virtuosität durchzogenem Gitarrensolo auf, das neue Genre-Maßstäbe setzt.

Eine Liveaufnahme des knapp dreizehnminütigen Doom-Trips „Sonic Titan“ geistert bereits seit 2003 als B-Seite des Tee Pee Records-Release von „Dopesmoker“ umher. Es ist seit der Wiedervereinigung von SLEEP fester Bestandteil ihrer Setlist. Zu Recht: Der ausufernde Stoner-Groove, die tranceartige Melodik und die unheilvolle Note in Cisneros‘ Stimme hüllen den Hörer von Beginn an in einen berauschenden Schleier aus epischer Monumentalität. Auch „Antarcticans Thawed“ ist ebenfalls ein alter Bekannter, der auf „The Sciences“ nun endlich seinen Weg von der Bühne in den Aufnahmeraum gefunden hat. Der von ruhigen, repetitiven Klangstrukturen getragene Anfang des Songs entwickelt sich schnell zu einem schwerfälligen Zusammenspiel: Aus Pikes doomig-düsteren Riffs, Roeders erbarmungslos-präzisem Drumming und Cisneros‘ markantem Klagegesang, gekrönt von einem virtuos-verzerrten Gitarrensolo, welches sich wohl nur mit der englischen Wendung ‚face melting‘ beschreiben lässt.

Es folgt „Giza Butler“, ein Tribut an den vielleicht wegweisendsten Bassisten aller Zeiten (und gleichzeitig Querverweis auf das ägyptische Gizeh, bekanntermaßen Heimat der Pyramiden). Es beginnt mit ruhigen, sanft vor sich hinfließenden Klängen, welche dem Song durch ihren psychedelischen Touch eine mystische Atmosphäre einhauchen. Diese gipfelt in einem donnernden Riff-Inferno. Besonders das basslastige Stampfen von Sechs- und Viersaiter im letzten Drittel des Tracks drücken der Nummer ihren individuellen Stempel auf. „The Botanist“ ist möglicherweise das interessanteste Stück auf „The Sciences“. Dem BLACK-SABBATH-esquen Eröffnungsriff folgt ein melodisch-klangvolles Zwischenspiel, das in einem ausgedehnt-vielseitigen, emotionalen Blues-Solo seinen Höhepunkt findet. Der Einfluss von Matt Pikes Zweitprojekt HIGH ON FIRE ist dabei klar herauszuhören.

„The Sciences“ setzt neue Maßstäbe

Das Warten hat sich gelohnt. SLEEP haben auf ihrem vierten Meisterwerk nicht nur konsequent alte Einflüsse und neue Ideen vereint, sondern einen weiteren Meilenstein im Stoner-Doom-Bereich geschaffen. „The Sciences“ entfaltet von Beginn an sein volles Potential und bereichert das Genre mit sechs außerordentlichen Songs, die aufgrund ihrer abwechslungsreich-berauschenden Riffs, schwer-doomigen Passagen und exzellent-virtuosen Solos rezeptpflichtig sein sollten. SLEEP liefern einen eindrucksvollen, intelligenten Soundtrack um einmal mehr dem Rauch in das ‚riff filled land‘ zu folgen. Dass Pike, Cisneros und Roeder die unangefochtenen Könige eben dieses Landes sind, ist spätestens seit „The Sciences“ klar.

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21.04.2018

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9 Kommentare zu Sleep - The Sciences

  1. Bluttaufe sagt:

    Was neues von SLEEP? Wo ist meine Vaseline oder Gleitgel?
    OK, ich bleibe sachlich und warte erst konkrete Videos ab!

  2. Peterchen sagt:

    Kann dem Rezensenten nur zustimmen, alles richtig dargelegt! Das Album läuft bei mir rauf und runter und hat für mich eindeutig Dopesmoker-Niveau.

    10/10
  3. Hägar sagt:

    “Machwerk” 😀

    1. Doktor von Pain sagt:

      Richtig: „Machwerk“ bedeutet dem Duden nach „ein künstlerisches oder literarisches Werk von schlechter Qualität“. Da hat der Rezensent sich ganz klar den falschen Begriff ausgesucht.

      1. Jonas Erbas sagt:

        Da war die Euphorie wohl größer als der Verstand! „Machwerk“ ist tatsächlich der falsche Begriff. Danke für den Hinweis! 😉

      2. Smokedoper sagt:

        Lasst doch die Wortglauberei, Freunde! Fakt ist: das Album ist göttlich, die Review wird der ganzen Angelegenheit würdig. Hoffentlich müssen wir auf das nächste Album nicht wieder so lang warten!

        9/10
  4. Platzhalter sagt:

    Die Überraschung ist gelungen. Dass das Titelbild des Albums so bescheiden ausfällt, ist allerdings unverzeihlich, da gerade im Stoner-Sektor thematisch passende und kunstvolle Illustrationen inzwischen die Norm stellen. Ich hatte gehofft, dass uns schlechte Renderergüsse seit den 90ern verlassen hätten.

    1. Herrschobel sagt:

      echt jetzt ? alles super, aber ich finde schon was zum meckern … dann halt das Cover … good fucking lord …

      uuuuuuuuunverzeihlich …..verstehste ?!?….das müssen die Jungs erfahren….uuuuuuuuuuun-fucking-verzeihlich ist das…

      ….aber schön, dass du so solide Vorstellungen davon hast wie die Dinge zu sein haben.

      9/10
  5. Pazuzu sagt:

    Mix doof, der „unsleepigste“ Mix den ich je gehört habe, Brutalität ist abhanden gekommen, jeder Song wie ein Cover von der Holy Mountain.

    Schön dass es allen anderen so gut gefällt.

    6/10