Skin Diary - Skin Diary

Review

SKIN DIARY aus Berlin machen es einem nicht einfach, sie ins Herz zu schließen. Die Band mit der internationalen Besetzung (zweimal Deutschland, Iran, Sizilien) schockiert zunächst mit ihrem quitschbunten Image, den hässlichen Photoshop-Fratzen auf der Homepage, den etwas kindischen Anzüglichkeiten in ihrer Selbsteinschätzung (und in den Texten) – und erschwert den Zugang letztlich durch einen nicht immer für Metaller tauglichen Stilmischmasch.

Sicher ist: Nur vollkommen offene und dem Pop zugeneigte Hörer werden sich wirklich mit dem Songmaterial anfreunden können. Besonders zur Albummitte hin befinden sich SKIN DIARY viel näher an freundlichem Antenne Bayern-Geträller als am Rock. Das muss nicht immer schlecht sein, ist es sicher auch nicht, verleiht dem Debüt-Album der Band aber einen Status, bei dem man sich schon fragen muss, inwieweit das Ganze noch Relevanz für metal.de besitzt. Auffälligster Teil des Bandgefüges ist sicherlich Sängerin Jessica Jeckyll, die mal nervenzehrend hoch in der Prärie herumträllert, allerdings wenn sie will auch das growlende Metal-Biest raushängen lassen kann, dies aber genau einmal tut (bei „Brother In My Belly“). Bei einigen Songs agieren SKIN DIARY ähnlich wie SYSTEM OF A DOWN, was sich anhand der Arrangements und dem Einsatz orientalischer und stilfremder Instrumente ausmachen lässt. Beim Opener „Right Elbow“ funktioniert das ganz gut, „American Caste“ besteht allerdings viereinhalb Minuten fast nur aus einem ganz klar an den Vorbildern angelehnten Refrain und muss als Totalausfall gewertet werden. Beste Nummer der Scheibe ist „Coup de Grace“, eine ebenfalls sehr poppige Nummer, die aber immerhin mit einer interessanten Melodieführung zu begeistern weiß. Am Ende versucht man sich mit „Cocoon“ noch an einer ruhigen, etwas jazzig arrangierten Nummer, bei der sich zwar vor dem geistigen Auge ein paar lange Frauenbeine räkeln, was aber noch lange nicht reicht, um für musikalische Relevanz zu sorgen. Schon gar nicht bei Metalfans.

Zwischendurch gibt es mit dem (ebenfalls sehr unrockigen) BLONDIE-Cover „Heart Of Glass“ noch eine überflüssige Huldigung an Plastikware aus den 80ern und diverse andere liebliche Liedchen, denen der Rock ’n‘ Roll-Anteil komplett entzogen wurde. Pubertierende Leser aufgepasst: Bei „Shameless Mrs Amos“ erzählt Fräulein Sängerin von ihrer Masturbationsvariante an einsamen Tagen, erspart uns aber leider den Höhepunkt.

SKIN DIARY sollten sich überlegen, als was sie sich in Zukunft vermarkten lassen wollen: Eine Metal-Band sind sie genauso wenig wie eine Rock-Band mit Pop-Einflüssen. Da nützt auch Scheuklappenfreiheit nicht viel, für den geneigten Metalfan werden die darüber hinaus viel zu wenig verrückten SYSTEM OF A DOWN-Anleihen nicht ausreichen, um sie als heißen Anwärter auf Deutschlands Innovationsgarde Nummer eins zu platzieren. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob es die Aufgabe von metal.de sein kann, die Qualität dieser so weit vom Rock entfernten Veröffentlichung objektiv zu bewerten. Ich attestiere SKIN DIARY jetzt einfach mal musikalisch interessante und innovative Ansätze, werde aber den Teufel tun und dieses Pop-Album auch nur einem unserer Leser ans Herz legen.

02.05.2011
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