Nein, so richtig innovativ klingt die Musik von SKÁLMÖLD auch auf ihrem zweiten Album nicht. Und doch tun die zahlreichen Stimmen, die ihnen ein bloßes Herunterleiern von Pagan-Metal-Standards vorwerfen, den Isländern unrecht. Wie praktisch jede Band, die es von der Nordatlantik-Insel aus schafft, das europäische Festland auf sich aufmerksam zu machen, verfügen auch SKÁLMÖLD über das gewisse Etwas, jenen einzigartigen Funken an Genialität, der ihrer Musik einen schwer greifbaren originellen Charme verleiht. Vergleiche mit den unvermeidlichen AMON AMARTH drängen sich zwar auf, liefern aber nur eine unzureichende Beschreibung des Bandsounds.
Natürlich trieft „Börn Loka“ (Kinder des Loki) vor altbekannten Wikinger-Klischees. Aber wer, wenn nicht eine isländische Band, sollte auch das Recht haben, diese Klischees glaubwürdig zu vertreten? Zumal man beim genaueren Blick auf die Texte feststellen kann, dass sich SKÁLMÖLD ernsthaft mit dem kulturellen Erbe ihrer Heimat auseinandergesetzt und nicht nur albernen Flügelhelm- und Methorn-Kitsch ausgegraben haben. Ob das die Mehrheit der Zuhörer aber auch wirklich zu schätzen weiß, darf ernsthaft bezweifelt werden, denn die Texte haben SKÁLMÖLD komplett in ihrer Muttersprache gehalten haben.
Immerhin dürfte es im Booklet wieder eine englische Erklärung der Konzeptgeschichte geben, die Hilmar auf dem Weg zur Wikingerehre gemeinsam mit seiner Schwester Brynhildur einmal durch die komplette nordische Sagenwelt jagt. Dabei ist jedes der zehn Stücke nach einer mythologischen Figur benannt, vom Göttervater „Óðinn“ (Odin) und seinem achtbeinigen Pferd „Sleipnir“ über den „Fenrisúlfur“ (Fenriswolf), die „Miðgarðsormur“ (Midgardschlange) und die Herrin der Unterwelt „Hel“ bis hin zum zwielichtigen und titelgebenden „Loki“.
Auf dem konzeptionellen Rahmen baut auch der grandiose Spannungsbogen des Albums auf, so dass das im choralen Opener anklingende „Ég er Óðinn“ („Ich bin Odin“) seine Entsprechung im „Ég er Loki“ („Ich bin Loki“) des Abschlussstückes findet. Dazwischen findet sich jede Menge Raum für gelegentliche Chorpassagen und majestätische Symphonic-Elemente, im Mittelpunkt stehen aber die eingängig-bratenden Gitarren-Riffs und der gleichermaßen harsche wie ausdrucksstarke Growl-Gesang von Frontmann Björgvin Sigurðsson.
Immer wieder nisten sich folkige Ohrwurm-Melodien hartnäckig im Ohr ein, nur um wenig später von knüppelnden Mosh-Parts unterbrochen zu werden. Dieses Wechselspiel vermeintlicher Gegensätze ist die wohl größte Stärke von SKÁLMÖLD und sorgt für einen extrem guten Fluss des Albums, das man unbedingt am Stück genießen sollte. Zwar zündet nicht jeder Part sofort und das gleichermaßen unaussprechliche wie unübersetzbar betitelte Monstergeheul-Zwischenspiel „Himinhrjóður“ wirkt etwas länglich, der herausragenden Atmosphäre tut dies aber keinen Abbruch. Und mit dem schunkelig-genialen „Narfi“ haben SKÁLMÖLD sogar einen potentiellen Single-Abräumer im Gepäck.
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