Jedesmal, wenn ich mich durch eine dieser zahlreichen Veröffentlichen aus dem bis zum Platzen übersättigten Metalcore/Deathcore-Bereich kämpfen muss, überlege ich beim Schreiben der entsprechenden Rezensionen, was ich man sich eigentlich genau wünschen würde, wenn man mal wieder ein Album aufgrund seiner Belanglosigkeit und des Mangels an mitreißenden Ideen kritisieren muss. Von Innovation will ich an dieser Stelle gar nicht erst sprechen. Und ungefähr ein, zwei mal im Jahr, kaum öfter, gibt es dann Releases, bei denen man das Gefühl hat, dass die Band der Idealvorstellung schon ziemlich nahe kommt. Die Bands, die es diesbezüglich wirklich drauf haben, kommen oftmals aus Deutschland. NEAERA sind in diesem Bereich für mich persönlich immer noch die Meister ihres Fachs, vor allem dann, wenn nicht clean gesungene Refrains, sondern vor allem melodische Gitarrenarbeit, wütender, aber abwechslungsreicher Gesang und ein gewisses Maß an Eigenständigkeit im Songwriting den Ton angeben sollen.
SIX REASONS TO KILL aus Koblenz galten mit ihren bisherigen Veröffentlichen als Band, die noch am ehesten dazu im Stande ist, in einem Genre Akzente zu setzen, das allzu oft nur aus nach außen hin gewaltigen, aber innen umso leereren Hülsen besteht. Ihr neues Album „Architects Of Perfection“ zeigt warum. Den Albumtitel direkt auf die Musik des Fünfers zu beziehen wäre vermessen, dennoch hat man bei der Einfuhr der Scheibe zumindest über weite Strecken jenes Gefühl, dass 99% der anderen Releases vermissen lassen: Hier ist eine Band am Werk, die sich nicht mal eben nebenbei mit trendiger, substanzloser Core-Musik an ein Publikum anbiedert, SIX REASONS TO KILL machen diesen Sound, weil sie voll und ganz dahinter stehen. Vergleiche mit den bereits erwähnten Landsmännern aus dem Münsterland drängen sich besonders dann auf, wenn die Melodic Death-beeinflussten Riffs und Leads auf den mal gegrowlten, mal gekreischten Wutgesang von Lars treffen. Die Breakdowns werden in bester PARKWAY DRIVE-Manier eingesetzt und fegen dem gemeinen Fußvolk mitunter den Subwoofer-Staub um die Ohren, songtechnisch wissen die Herren, was zu tun ist, wenn man mit seinen Songs im Gedächtnis bleiben will und haben den Australiern in dieser Hinsicht sogar etwas voraus. Meistens fährt man die gerne auch mal etwas Thrash-lastige Metal-Schiene („Welcome To Forever“, „My Bitterness“), hin und wieder schimmern eher die Hardcore-Wurzeln der Band durch („Scum Belongs To Scum“). Selbst in Richtung Deathcore streckt man seine Fühler aus, eine Band wie SUICIDE SILENCE muss als Vergleich herhalten, wenn der Gesang plötzlich und unerwartet in die so seltsam titulierten „Piq Squeals“ umschlägt. Das Tempo wird varriiert, die Produktion sorgt für Transparenz und zeigt vor allem, was für ein Tier Drummer Florian ist. Das ist übrigens ein weiterer großer Vorteil der Scheibe: Getriggerten, nach Computer klingenden Plastiksounds zeigt man trotz aller soundtechnischen Wucht den gepflegten Mittelfinger.
SIX REASONS TO KILL wissen aber auch zu überraschen: „My Poison“ ist eine durchweg ruhige, anspruchsvolle Nummer, die in der Mitte platziert das Album sozusagen in zwei Teile teilt. Eingesungen wurden das Liedchen von Kurt Ebelhäuser, einem in der Koblenzer Indie-Szene durchaus bekannten Musikerkollegen. Der Song mag kompositorisch nicht die größte Offenbarung des Albums sein, aber sie ist in jedem Falle ein gelungener Ruhepol. SIX REASONS TO KILL können es nicht nur dem Vorschlaghammer, sie haben Mut und trauen sich den Blick über den Tellerrand. Übrigens auch mit der Instrumentalnummer „Wandering Stars“, die den Abschluss-Track „Buried To The Sea“ atmosphärisch einleitet.
„Architects Of Perfection“ ist ein Reinhören wert, nicht nur übrigens für Genrefans, weil es beweist, dass man eben doch auch im Metalcore noch Qualität abliefern kann, die jenseits von 08/15-Schemata einige Punkte gutmacht. SIX REASONS TO KILL gehören in ihrem Bereich zweifellos zu den relevantesten Bands.
Ich bin im Besitz der beiden Vorgänger und muss sagen, dass ich von dieser Platte hier sehr enttäuscht bin. Beim schlimmen Cover (das eigentlich egal ist, weil Musik zählt etcppuswusf.) fängt es an, beim Einheitssound geht es weiter (fäääätt, Triggerdrums), und musikalisch ist man völlig stehen geblieben, alles klingt irgendwie nach Second Hand-Ware. Kenn ich von den Jungs nicht.