Seit seinem unsanften Abgang bei TRISTANIA verdingt sich Morten Veland bekanntermaßen mit SIRENIA, wo er sich nicht mit anderen Leuten über die musikalische Ausrichtung streiten muss, wo er schalten und walten kann, wie es ihm beliebt. Die weitere Entwicklung sollte ihm zunächst recht geben: den Boden, den TRISTANIA mit den identitätslosen „World Of Glass“ und „Ashes“ verloren haben, hat Morten im Handumdrehen mit den ersten beiden SIRENIA-Alben annektiert. Doch jetzt läutet der Gong zur dritten Runde. In der einen Ecke stehen TRISTANIA mit „Illumination“, in der anderen SIRENIA mit „Nine Destinies And A Downfall“ zum direkten Schlagabtausch bereit.
Ohne die neue TRISTANIA gehört zu haben, wage ich zu behaupten, dass es für SIRENIA schwer werden wird. Denn „Nine Destinies And A Downfall“ zeigt eine sehr gewandelte Band mit einer Platte, die so offensichtlich auf kommerziellen Erfolg und den schnellen Euro getrimmt ist, dass einem beim Anhören schlecht wird. Die Scheibe ist von vorn bis hinten auf schnellen Charts-Einzug gebürstet, wird mit ihrer stromlinienförmigen, ecken- und kantenlosen Gestalt dort auch entsprechend einschlagen, beim Hörer aber genauso schnell wieder aus dem Gehörgang austreten, wie sie hineingeglitten ist.
Dem Abverkauf hat man einen großen Teil der ehemals stilprägenden Trademarks geopfert. Ohrenscheinlichste Veränderung am Sound ist das Fehlen eines männlichen Parts. Morten hat seiner neuen Vokalistin Monika Pedersen den Platz am Mikro nahezu komplett überlassen. Liv Kristine hat’s schließlich vorgemacht – ob die Ähnlichkeit zu deren Stimmfarbe reiner Zufall ist, kann nur gemutmaßt werden. Lediglich in drei Songs ergreift auch Morten noch das Wort; das jedoch derart überschaubar, dass es kaum die Erwähnung wert ist. Schade drum! Gerade seine Vocals waren es, die die alten TRISTANIA zu etwas Besonderem gemacht haben und nicht zuletzt großen Einfluss auf die Entwicklung des Gothic Metal hatte, wie wir ihn bis heute kennen.
Monika hat in etwa 95% der Gesangsleistung auf sich zu verbuchen. Den verbleibenden Anteil teilen sich Morten und die noch immer vorhandenen sakralen Chöre, die auch weiterhin eine Konstante im Veland’schen Schaffen darstellen. Leider tragen die jedoch nicht mehr zur Atmosphäre bei, sondern fristen ihr Dasein heute in eigens für sie markierten Breaks, wo sie im Kontext der Songs wie Fremdkörper wirken. Hauptsache Chor! Ein ähnliches Schicksal hat die Geige ereilt. Sie hat im neuen, vom Keyboard regierten Sound keinen Platz mehr und wirkt mit ihrem äußerst sporadischen Einsatz eher wie ein Beschwichtigungsversuch für die alten Fans.
Generell funktioniert jeder einzelne Track nach ein und demselben Schema F, das für SIRENIA zwar neu ist, sich aber bereits nach dem ersten Durchlauf der Scheibe abnutzt. Monika liefert eine sehr ordentliche gesangliche Leistung mit vielen Dopplungen ab, die Chöre bewegen sich brav im ihnen zugedachten, streng abgesteckten Rahmen, die Keyboards verwalten die Melodieführung. Zwar muss man der Scheibe einerseits doch zugute halten, dass die Gitarren dank der doppelten Saitenanzahl endlich mehr Schmalz in den Oberarmen haben als noch auf den beiden Vorgängern. Dafür haben sie kompositorisch jegliche Relevanz eingebüßt und dienen nur zum Aufmotzen des Sounds. „Nine Destinies And A Downfall“ ist austauschbare Popmusik mit Gitarren.
Dass das Album spielerisch einwandfrei ist und einige Arrangements durchaus auch zu gefallen wissen, steht außer Frage. Aber das darf man von jeder halbwegs ernstzunehmenden Band erwarten. Fakt ist: Morten hat seine Hausaufgaben in „zeitgemäßem“ Songwriting gemacht, damit aber die Seele SIRENIAs verkauft. Vom dritten Album einer Band sagt man, es stelle den Scheideweg dar: „make it or break it“. Was die Verkäufe anbelangt, dürfte die Scheibe nicht zuletzt dank Vorreitern wie LACUNA COIL, LEAVES‘ EYES und NIGHTWISH gut abschneiden. Künstlerisch gesehen kommt dieser sich selbst verleugnende Klon für mich allerdings einer Bankrotterklärung gleich, die dem im Titel erwähnten „Downfall“ eine ganz neue Bedeutung verleiht.
Meine Wertungen zu den einzelnen Songs: The Last Call 9/10; My Mind`s Eye 10/10; One By One 8/10; Sundown 8/10; Absent Without Leave 8/10; The Other Side 10/10; Seven Keys And Nine Doors 9/10; Downfall 8/10; Glades Of Summer 9/10! Gesamtwertung: 8,8/10
08/15-Symphonic-Metal von der Stange. Mit diesem Album hat Altmeister Morten Veland sich selbst verraten. Konnte er mit den ersten beiden Alben von Sirenia nahtlos an die alten Meisterwerke von Tristania anknüpfem, so verfällt dieses Album dem Standart-Symphonic-Kitsch. Zugegeben, ein paar nette Melodien sind dabei, aber alles kommt irgendwie so "schonmal-gehört" rüber. Nebenher läuft grad bei mir die "At Sixes and Sevens"-Scheibe von Sirenia – das ist gute Musik! Bands wie EPICA oder die quasi-Genre-Gründer Nightwish machen das um einiges besser. Hier wurde Komplexität und Härte gegen Eingängigkeit und Kitsch eingetauscht!