Silentium - Motiva

Review

Finnland und Melodic-Death-Metal, das ist ein Duo, was zusammen gehört. So wie Bonnie und Clyde, Ernie und Bert, SIMON & GARFUNKEL, Siegfried und Roy, Chip und Chap, Batman und Robin, Günter Netzer und Gerhard Delling.

Deshalb nimmt man sich einer so betitelten Band doch gerne an. Nun steht mit SILENTIUMs neuem Album „Motiva“ allerdings erneut pop-geschwängerter, symphonischer Metal an: Das merkt man gleich schon im Opener „Truth“. Mist, mal wieder vergriffen oder einer Promoente untergekommen, die sich mit Genre-fremden Federn schmückt? Melodic-Death-Metal ist zwischendurch zwar durchaus auch zu vernehmen (das beinahe als Instrumental durchgehende „Circle“) und SILENTIUM ist ebenfalls hoch anzurechnen, dass sie keine Scheu vor komplexen und langen Songs haben. Im 9-minütigem „Vortex“ bekommt man sogar kurzzeitig Blastbeats! Etwas Etikettenschwindel ist das allerdings schon.

SILENTIUM sind schon lange dabei

Die aus dem Doom/Death/Gothic-Projekt FUNERAL hervorgegangene Band von Sami Boman und Matti Aikio hat sich im Laufe der Jahre einige Musiker mehr dazu geholt und es drehte sich öfters mal das Besetzungskarussell. Mit dem Einstieg von Riina Rinkinen als Goldkehlchen änderte sich auch ein wenig die musikalische Ausrichtung hin zu mehr Gothic/Female-Fronted Metal, mit symphonischen Elementen durchsetzt. Musikalisch schauen auf dem neuesten Longplayer ein wenig neuere AMORPHIS durch, auch NIGHTWISH oder BEYOND THE BLACK wären als Referenzen nicht verkehrt. SILENTIUM bewahren auf „Motiva“ diese typisch finnische Stimmung, die ein Mix aus Melancholie, subtil eingesetzter Härte und hier eben auch einer gewissen Symphonik und den typischen Vocals der Female-Fronted Bands ist.

Frontfrau Riina ist allerdings gegenüber einer Tarja Turunen oder ähnlichen Sängerinnen vergleichsweise gesanglich eingeschränkter. Herausstechende Merkmale hat sie zwar nicht, aber sie wirkt sich auch nicht negativ auf die Band aus. In der zweiten Hälfte des Albums kommt manchmal Kollege Tony Kaikkonnen zu Hilfe und bringt die benötigte Härte als Abwechslung mit ein. Die Musik bleibt meist im Midtempo, die Riffs bleiben meist simpel, die Refrains groß und eingängig angelegt. Tatsächlich ist das Schlagzeug hier noch am komplexesten unterwegs und kann mit netten Fills und rhythmischen Spielereien glänzen, auch das ein oder andere Solo ist recht schmackhaft.

Auch „Motiva“ vermag nicht mitzureißen

Viel mehr hat  das Album dann aber auch nicht zu bieten. Was auf „Motiva“ am meisten stört, ist die Kopflosigkeit und der Stoizismus des eigenen Anspruchs: 9-Minüter „Vortex“ startet ruhig und zerbrechlich und wechselt nach längerer Einführung in härtere Gefilde. Was wohl als Kontrastpaar wirken sollte, geht leider überhaupt nicht auf. Später auftauchende Synthies in CRADLE-OF-FILTH-Ästhetik plus Chor, der auch bei DIMMU BORGIR ausgeliehen sein könnte, lassen sich fragen, was die Herren und Dame mit diesem Kauderwelsch hier eigentlich bezwecken wollten. Auch „Safer-Easier“ genehmigt sich erstmal fast 3 Minuten Piano und Violine als Intro, ehe es los geht. Kann man als Doom- oder Post-Metal-Band machen, der eigenen Fanbase, die wahrscheinlich eher knackigere Längen gewohnt ist, bürdet man so schon viel Geduld auf.

„Tides“ als pompöser 12-Minüter kurz vor dem Ende, mit 4-Minuten-Outro „Friend“ will noch einmal alle Register ziehen und wirkt letzen Endes wie eine schlechte, sehr gestreckte NIGHTWISH-Kopie. Auch kürzere und moderner wirkende Songs wie „Unchained“, „Shame“ oder „Vow“ sind ganz nett, aber eben auch nicht mehr. Die kurzen Ausbrüche während Songs wie „Shame“, die dann tatsächlich mal in Richtung Melodic-Death gehen, sind da gerade wie Leuchttürme in der Lethargie zu werten. Letzten Endes sind SILENTIUM mit „Motiva“ auch sechs Alben tief in ihrer Karriere noch keinen Schritt weiter zu musikalischer Stärke gelangt.

Für die NIGHTWISH, BEYOND THE BLACK oder LACUNA COIL und WITHIN TEMPTATION-Fraktion ist das hier Gebotene schlicht nicht eingängig genug und nicht mit Hits gesegnet. Prog-Liebhaber, die auch Retorten-Keys und zierlichen Frauenstimmen was abgewinnen können, werden hier die musikalische Würze vermissen. Melodic-Death-Metal-Fans wird die fehlende Härte sauer aufstoßen. Instrumental sind SILENTIUM nicht unbegabt, aber wirklich packende Songs bietet auch „Motiva“ nicht. Man verzettelt sich am eigenen Anspruch und hat trotz Dynamik und interessanter Zusätze im Songwriting kein Album, was einen wirklich packt. Was für die Band super funktioniert, ist die finnische Melancholie, die trotzdem durch alle Ritzen zu spüren ist. Im Gothic-Metal sind wohl definitiv noch bessere Bands als SILENTIUM  aufzutreiben. Wer immer noch nicht genug davon im Schrank stehen haben kann, mag sich gern auch noch „Motiva“ dazu stellen, wirklich haben muss man das hier aber nicht.

02.09.2020
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