Sigh - Shiki

Review

Galerie mit 11 Bildern: Sigh - Under The Balck Sun 2018

Als SIGH anno 1993 mit “Scorn Defeat” nicht weniger als einen Black-Metal-Klassiker über das Helvete-eigene Label Deathlike Silence unter der Schirmherrschaft eines gewissen Øystein Aarseth veröffentlichten, waren nicht nur die Mitbewerber ob der Konkurrenzfähigkeit des japanischen Beitrags zum Thema “2nd Wave” überwältigt. Damals war noch nicht abzusehen, welche Wege das Trio fortan beschreiten würde.

SIGH sprechen über den Zeitpunkt des Todes

Über elf Alben hinweg entwickelten sich SIGH von bestialischem Black Metal bis hin zu einem filmreifen Avantgarde-Projekt, um mit dem neuesten Streich “Shiki” einen tiefen Abdruck im Sand der fernöstlichen  Kreativschmiede und Qualitätsgarantie zu hinterlassen. “Shiki” hat viele Bedeutungen in der japanischen Sprache, wobei SIGH sich auf die Verwendung des Wortes im Zusammenhang mit dem Tod und den Vier Jahreszeiten konzentrieren. Dabei treffen sie unmittelbar ins Schwarze, lassen die wirklich böse klingenden Gitarren und der angepisst keifende Gesang Mirai Kawashimas nur die besten Reminiszenzen zum Sensenmann durchscheinen. Andererseits verdingt sich die Band mehr als einmal an elektronischem Handwerk und gar klassischen Rockposen mit Orgel und allem Drum und Dran. Diese Vielfältigkeit findet man üblicher Weise auf einer Pizza Quattro Stazioni con tutti.

“Shiki” bietet verspielte und wohlbekömmliche Kost

“Geshi No Ato” trumpft unvermittelt mit orientalischen Melodien und klassischen Versatzstücken im Gesang auf, während immer wieder ein pulsierend vorantreibender Rhythmus und verträumte Leadgitarren für die nötige Erdung sorgen. Im Zwischenteil wandelt sich der Song zu einem stromlinienförmigen Ambienthappen, der allerdings ein wohlbekömmlicher Ohrenschmaus bleibt. Beim folgenden “Fuyu Ga Kuru” benötigt man nicht allzu viel Fantasie, um an die finnischen Kollegen von ORANSSI PAZUZU zu denken, wird allerdings von Panflöten ebenso entzückt, wie von einem rockigen Riff im Stile der 80er-Jahre-IRON-MAIDEN. Völlig ungekünstelt setzt das Arrangement dann wieder zu einem jazzig launigen Saxofon-Part über. Besser lässt sich ein Genre-Cocktail nicht servieren.

Eine Freude für Dr. Jazz

Man möchte viel über diese Platte erzählen, denn vieles passiert. Insbesondere Freunde der süddeutschen Variante PANZERBALLETT werden mit “Shiki” schon Monate vor Weihnachten beschenkt. SIGH glückt allerdings ein Geniestreich: Die Band veröffentlicht Musik für Musiker, die sich aber nie eitel präsentiert und auf Anhieb unglaublich viel Spaß macht. Wer sich von der nicht übertrieben dicken Produktion und den hie und da sehr progressiven Intros nicht abschrecken lässt, wird auf eine musikalische Entdeckungsreise gehen und auch beim fünften, sechsten und siebten Durchlauf immer wieder neue Details finden.

Wenn man sich im Black Metal, Krautrock, Progressive Metal, Classic Rock, Psychedelic Rock und NWOBH gut aufgehoben fühlt, ist der Kauf von “Shiki” unbedingt zu empfehlen. Jeder Track bietet ein wohlportioniertes Übermaß an Kunstfertigkeit und Songwriting-Talent, von den technischen Fähigkeiten der Musiker ganz zu schweigen. Diese Platte ist ausgewogen, niveauvoll und hat das Zeug dazu, den Schwiegereltern Blastbeats schmackhaft zu machen. Zur Bestnote fehlt eigentlich nur noch das entscheidende Überraschungsmoment, denn die Messlatte wurde mit vergangenen Großtaten wie “Graveward” oder “Hangmans Hymn” bereits enorm hoch gelegt. Mit der Gewissheit, dass die Japaner die Kreativität auf ihrer Seite haben, sollten sie ein Klassiker-Album aber auf jeden Fall noch im Köcher haben.

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11.09.2022

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