Sigh - Scenes From Hell

Review

Mit Vorliebe treiben sich SIGH auf dem Schrottplatz der Klischees herum, klauben sich an irren Riffs, orchestralen Hooks und verspielten Melodien alles zusammen, was Verwertbarkeit verspricht und verschweißen diese Unmengen an ranzigem Kram auf durchaus widerstehliche Art zu ihrem Blueprint of „Black Art Metal“, wie es so schön in der Presseinfo heißt. Es gilt: Das nächste Klischee ist immer das schönste! In ihrer unorthodoxen Herangehensweise klangen sie aber immer schon sehr nach bemühtem Experiment, mehr noch nach einer peinlich avantgardistischen Zirkusnummer im Cirque du Soleil. Auch mit ihrem achten Album „Scenes From Hell“ soll sich daran nichts ändern.

SIGH zehren von einem kindlichen Musikverständnis. Die Band, so scheint es, verlässt sich komplett auf die Intuition, folgt der spontanen Eingebung, versprüht kindliche Freude, auch Naivität, Unbekümmertheit, Unschuld. Wenn sie zur Gitarre greifen, dann klingt das aber eben auch, wie ein Kind, das zum ersten Mal in die Saiten drischt. Der Abwechslungsreichtum ihrer im gröbsten Sinne an euphorischem Black-Metal-Plunder orientierter Musik ist so enorm, dass sich klare stilistische Zuschreibungen verbieten. Sie bringen die widersprüchlichsten Stilelemente auf einen Song – eben wie ein Kind, das nicht so genau weiß, was es will.

Der keifend-shoutende Gesang von Mirai Kawashima, der immer wieder in drollige Spoken-Words mündet. Die Trompeten, Rasseln, Glocken, Klarinetten, die Streicher, das Saxophon, Orgel, Xylophon, die in den Gitarre-Bass-Schlagzeug-Kontext verflochten werden. Rumpelnder Garagen-Metal, der plötzlich einen U-Turn zum schunkelnden Wirtshaus-Bombast vollführt. Von Endsiebziger-Psychedelic bis hin zu einem erleuchteten Projekt wie CURRENT 93, deren David Tibet auch als Gastsänger zu hören ist, scheint das geplünderte Musikarchiv zu reichen, ein konkretes „Klingt gerade wie…“-Gefühl stellt sich aber trotzdem kaum ein, weil so polystrukturell vorgegangen wird, dass Momente klarer Erkenntnis sehr rar sind. Okkultes Gezirpe, Schmonz, zarte Schönheiten, Obskursynthie-Vielerlei, der zum Drogenessen anhält, dünner Thrash Metal, wattige Soli – SIGH scheitern daran, all das so zu bündeln, dass es nicht wie eine angestrengte Aneinanderreihung von Antagonismen wirkt.

Natürlich wirkt dadurch die Musik hochkomplex, sie schwebt, muss immer weiter, dreht sich und schraubt sich fort, nirgends kann man sich festhalten, man verliert förmlich die Haftung unter den Füßen, rutscht in diese mit plumper Bildhaftigkeit ausgestattete Hallräume, die immer größer und größer und noch rutschiger zu werden scheinen. Totale Übertreibung scheint der erklärte Endzweck zu sein, das Ausstellen reiner, immer überheblicher Kunstfertigkeit. Am Ende soll das Ganze dann wahrscheinlich auch noch weniger handgemacht als vielmehr bezaubernd und wie von einer höheren Macht erdacht klingen?

23.01.2010
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