Sigh - Live: The Eastern Forces of Evil 2022

Review

SIGH veröffentlichen mit „Live: The Eastern Forces of Evil 2022“ ihr drittes Live-Dokument und feiern damit zugleich ihr dreißigjähriges Bestehen. Allerdings handelt es sich dabei um den Mitschnitt eines Streamingkonzertes der japanischen (Black-)Metal-Avantgardisten vom August 2022, weshalb ein richtiges Live-Feeling natürlich nur bedingt aufkommen will. Und obwohl grade die Konzert- und Eventbranche die Folgen der Pandemiebeschränkungen immer noch besonders hart zu spüren bekommt, wirkt ein Konzertmittschnitt ohne Publikum schon jetzt irgendwie seltsam befremdlich. Nichtsdestotrotz ist „Live: The Eastern Forces of Evil 2022“ durchaus hören- und sehenswert.

SIGH bieten einen schönen Querschnitt mit Top-Sound

Bemerkenswert ist zunächst mal der glasklare, druckvolle Sound in dem SIGH ihre Songs hier präsentieren. Das mag dem Live-Erlebnis natürlich zusätzlich ein wenig zu wieder gehen, hört sich aber einfach verdammt gut an. Ein kleines Haar in der Suppe ist in dieser Hinsicht das Gekrächze von Bandchef Mirai Kawashima, der zeitweise hart am Limit zu operieren scheint, bei den vereinzelten Klargesangspassagen aber dennoch fest im Sattel sitzt. Überhaupt spielt der Vierer aus Tokio verdammt tight auf und besonders Sängerin/Saxofonistin Dr. Mikannibal beeindruckt immer wieder mit abgrundtiefen Growls, die direkt aus dem Schlund der Hölle zu kommen scheinen.

Auch an der Songauswahl gibt es nichts zu meckern, diese zieht sich durch die gesamte Diskographie von SIGH und berücksichtigt vom 93er Debütalbum „Scorn Defeat“ bis zur aktuellen zwölften Scheibe „Shiki“ alle Phasen der Band. Dabei haben sich SIGH um eine ausgewogene Setlist bemüht, eher doomiges Material wie „A Victory of Dakini“ und „Kuroi Kage“ steht im gelungenen Wechsel mit beschwingten Nummern wie „Purgatorium“ und „The Transfiguration Fear“, die bisweilen die Fühler gen Power Metal ausstrecken oder astreinen Black-Thrash-Kellen der Marke „Introitus“.

Besondere Sahnehäubchen bieten natürlich immer wieder die gekonnten Saxofon-Einlagen von Dr. Mikannibal, die schon lange fester Bestandteil des Sounds von SIGH sind und sich daher auch wunderbar ins knüppelharte Metal-Geschehen einfügen. Dass die orchestralen Parts sowie die meisten traditionellen Instrumente aus der Konserve kommen, liegt leider in der Natur der Sache und ließe sich anders von einer vierköpfigen Band wie SIGH auch kaum umsetzen.

Zwischen Corpsepaint, Kunstblut und Kimono

Auch die Performance selbst kann sich sehen lassen. Mit dem cineastischen Erlebnis der BEHEMOTH-Streaming-Events können die Japaner natürlich nicht mithalten; die Darbietung auf einer kleinen, geschmackvoll dekorierten Bühne zwischen Corpsepaint, Kunstblut und Kimono hat aber durchaus ihren eigenen kauzigen Charme.

Dr. Mikannibal wechselt fließend zwischen freundlich lächelnder japanischer Dame und wütender Furie, während Gitarrist Nozomu Wakai wie ein Black-Metal-Samurai ausstaffiert ist und neben seiner Axt zwischendurch auch mal ein Katana durch die Luft schwingt. Mirai Kawashima wiederum gibt den stoisch erhabenen Zeremonienmeister, während der maskierte Takeo Shimoda souverän die Felle verdrischt. Achja, eine Bibel wird auch verbrannt, ein bisschen was haben sich SIGH also doch von den polnischen Kollegen abgeguckt.

Klar, schon normale Live-Mitschnitte können die Magie eines echten Konzertbesuchs in den seltensten Fällen einfangen und so tut sich die Aufzeichnung eines Streaming-Gigs natürlich gleich doppelt schwer. Man muss SIGH aber attestieren, dass sie mit ihren Mitteln das beste aus einer blöden Situation gemacht haben und ihren Fans hier eine unterhaltsame Stunde Musik in Bild und Ton präsentieren.

Und wenn alle Stricke reißen, dann bietet „Live: The Eastern Forces of Evil 2022“ immer noch einen gelungenen Querschnitt durch das Schaffen einer japanischen Institution, der zudem in einem tollen Soundgewand präsentiert wird und sich auch gut als Einstiegspunkt in den Kosmos dieser eigenwilligen Truppe eignet.

02.07.2023

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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