Eine Handvoll Musiker, alle in diversen Progressive-Metal-Bands oder Bands anderer tendenziell kopflastiger Genres aktiv (u.a. EMBRACE OF DISHARMONY, THE ORANGE MAN THEORY und ZIPPO), die sich an einer möglichst unkategorisierbaren Mischung aus Doom, Melodic Death und Gothic Metal versuchen wollen – ein Schelm, wer da entweder an zerfahrene, kopflastige Musik oder an das andere Extrem, einen weiteren PARADISE LOST-/MY DYING BRIDE-Klon erwartet. Doch SHORES OF NULL schaffen es auf ihrem Debütalbum „Quiescence“ tatsächlich, diese beiden Pole zu umschiffen und eine recht angenehme Überraschung aufzutischen.
Zwar kommt man bei den Italienern letztlich doch nicht umhin, PARADISE LOST als Einfluss zu nennen – so erinnert das Material auf „Quiescence“ zwischenzeitlich besonders an die Ära rund um die Alben „Icon“ und „Draconian Times“ -, und auch die frühen Alben der Schweden KATATONIA lassen sich hier und dort heraushören, aber es ginge definitiv auch zu weit, SHORES OF NULL als eine bloße Kopie der genannten Bands zu bezeichnen. Sie sind ein kleines bisschen schneller als Doom, sie verarbeiten in ihrer Musik mehr Einflüsse aus dem Melodic Death Metal (natürlich in einer eher langsamen Variante), und auch das Songwriting an sich mutet ausgereift an und lässt eine eigene Handschrift erkennen.
Und das gestaltet sich mal eher verzweifelt trauernd („Souls Of The Abyss“), mal eher episch („Ruins Alive“), mal tödlich-aggressiv („Kings Of Null“, „The Heap Of Meaning“) und bietet somit eine ganze Menge Abwechslung – so viel, dass es fast schon zu viel des Guten ist. Denn so wenig Langeweile beim Hören von „Quiescence“ auch aufkommt, alles in allem fehlt es SHORES OF NULLs Debütwerk des Öfteren am roten Faden, am Spannungsbogen – insgesamt hätte eben alles etwas besser aufeinander abgestimmt sein dürfen, so wirkt das Album ein bisschen wie eine Ansammlung von Songs und nicht wie ein in sich geschlossenes und von Anfang bis Ende durchdachtes Werk.
Das ist einer der wichtigeren Faktoren, wegen denen sich SHORES OF NULL und „Quiescence“ dann am Ende doch hinter den genannten Namen einreihen müssen – aber auch nicht der einzige. Denn zum Ende hin mangelt es den Italienern hörbar an packenden Ideen, in den letzten drei Songs finden sich bloß zwei ganze Parts – der Mittelteil von „Pain Masquerade“ und das Aufbäumen etwa bei der Hälfte des Schlusstracks „Eudaemonia“ -, die in der Lage sind, den Hörer mitzureißen. Das ist zwar schon mehr, als viele andere Bands bieten können, aber bedenkt man das hohe Aufkommen an guten und sehr guten Momenten in der ersten Hälfte des Albums, dann lässt sich das als klarer Abfall verbuchen.
„Quiescence“ ist eines der Alben, bei denen man sich wünscht, halbe Noten als Zwischenschritte in unser Punktesystem einführen zu können – für eine 6/10 sind SHORES OF NULL eigentlich zu gut, für eine 7/10 fehlt einfach was … etwas mehr Schmissigkeit zum Ende hin, oder etwas mehr Abstimmung zwischen den einzelnen Tracks, um die Gesamtdynamik anzukurbeln, oder noch etwas mehr Abgrenzung von den Größen des Genres, oder … .
Ein halbes Sympathiepünktchen entscheidet letztlich zugunsten einer 7/10, denn – um den Bogen zum Anfang zurückzuspannen – dass es diese Prog- und Math-Musiker geschafft haben, das Gefrickel komplett sein zu lassen, sich aber auch nicht als bloße Kopie ihrer Vorbilder präsentieren, das kann man ihnen ruhig wohlwollend anrechnen.
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