Nach dem Verfassen dieser Rezension muss ich mir erstmal „Ritual“, das Debüt von SHAMAN, anhören, nur um mich zu vergewissern, dass die Band wirklich mal gut war. Und dass sie mal einen guten Sänger hatten. André Matos (ex-ANGRA) war sein Name und der Mann war nicht nur gut, er war eine Granate. Nun gut, zusammen mit drei Viertel der Band verließ er die Power Metaller und übrig blieb alleine Trommelbursche Ricardo Confessori (ebenfalls ex-ANGRA), der sich einen neuen Haufen an Musikanten zusammenbastelte, um SHAMAN’s drittes Werk „Immortal“ einzutrommeln. Und mit genau diesem Album fallen er und seine Kumpanen mächtig auf die Schnauze.
Standen SHAMAN einst für inspirierten, abwechslungsreichen, ja, mit zittrigen Fingern wage ich gar zu behaupten, originellen Power Metal, sind SHAMAN anno 2007 nur noch ein Synonym für… ja, für was eigentlich? Ich wäre ja schon froh, wenn ich sagen könnte, SHAMAN würden nur noch mittelprächtigen, stereotypen HELLOWEEN/GAMMA RAY-Power Metal spielen, aber diese „Freude“ bleibt mir leider verwehrt, denn die Südamerikaner setzen weiterhin auf variantenreiche Stahlträger, aber irgendwie laufen hier nahezu sämtliche Ideen ins Leere. Wie gewohnt arbeiten Confessori und Co. gelegentlich mit Akustikgitarren und Percussion, die wohl als Reminiszenz an die Heimat der Copacabana-Rocker gesehen werden dürfen, doch was sich früher wunderbar ins musikalische Gesamtkonzept einfügte, erscheint nunmehr nur noch als Fragment oder vollkommen deplatziert. Und auch die einst so gekonnten Tempo- und Stimmungsverschiebungen sind auf „Immortal“ nur noch Alibistilmittel, um sich nicht als 378647. Kopie oben genannter Bands beschimpfen lassen zu müssen. In diesem Sinne muss man Millionenfach gehörte Double-Bass-Standardnümmerchen wie „Strenght“ oder „Never Yield!“ noch zu den „Höhepunkten“ dieser CD zählen. Traurige Sache, das. Und wenn einem doch mal das Gefühl beschleicht, der Laser hätte zu einer richtig ordentlichen Nummer angesetzt, kommt von irgendwo ein böser Störfaktor her, der alles wieder kaputt macht. „One Life“ ist so ein Beispiel: Da wird der Spaß mit relaxtem Südamerika-Feeling losgetreten, nur um dann von einem durchschnittlichen Power-Metal-Riff abgewürgt zu werden, was aber angesichts eines guten Refrains und netten Instrumentalabfahrten im Mittelteil noch akzeptabel wäre, doch bevor der Song ausklingt und man sich schon im sicheren Hafen wähnt, beehrt uns Neusänger Thiago Bianchi mit einem sehr hohen Schrei, der einem richtig in die Glieder fährt und zwar in jene Glieder, die man lieber für anderweitiges verwenden möchte. Der gute Herr Bianchi hat es als Matos-Nachfolger natürlich schwer, keine Frage, und abgesehen von den hohen Schreien geht seine Gesangsleistung ja noch in Ordnung. Dumm nur, dass er die meiste Zeit wie ein gestochenes Weibsbild daherkommen muss.
An Dramatik fehlt es auch der Ballade „In The Dark“ nicht. Sicherlich handelt es sich hier noch um einen der besseren Songs auf „Immortal“, lässt man mal die dilettantischen Backing-Vocals weg. Der wirklich einzige Song des Albums, den man ohne Angst vor Bestrafung dem Power-Metal-Gott vorspielen kann, ist „Inside Chains“, ein mitreißender, hymnenhafter Feger, den man fieserweise an den Anfang der Platte gestellt hat, so dass die positive Grundstimmung des Hörers beim ersten Probedurchgang nur unnötig in die Länge gezogen wird.
Den „krönenden Abschluss“ dieses akustischen Reinfalls bildet die fürchterliche Heile-Welt-Ballade „The Yellow Brick Road“. SHAMAN klingen, als wären sie in einem Walt-Disney-Film gelandet. In einem Fantasialand mit summenden Bienchen, zwitschernden Vögeln und einem debilen Dauergrinsen im Gesicht. Wo auch immer sich dieses Fleckchen Erde befinden soll, wer’s entdeckt, möge mir bitte einen Gefallen tun: Klatscht die Bienen an die Wand, erledigt die Vögelchen mit einem Luftgewehr und wenn SHAMAN dann immer noch Grinsen sollten… fackelt die Bude einfach ab!
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