Shadowrun - Revierbericht 2082
Review
SHADOWRUN war schon immer ein Rollenspiel, das in verschiedenen Ländern stark vertreten ist. Da es in einer alternativen Gegenwart und Zukunft unserer realen Welt spielt, verwundert dies nicht. Der Gedanke, was wohl aus der eigenen Heimat wird, wenn die Magie wieder erwacht ist, eine virtuelle Matrix den Globus umspannt und skrupellose Konzerne ungehindert walten können, hat etwas reizvolles.
Insbesondere die deutsche Fanszene und die jeweiligen Verlage, die für die Lokalisierung zuständig waren, taten sich durch eigene Publikationen hervor, die das Deutschland einer möglichen Cyberpunk-Fantasy-Zukunft darstellten. „Deutschland in den Schatten“ erschien 1992 und erzählte erstmals vom Rhein-Ruhr-Megaplex, der 2011 seine eigene Spielhilfe erhielt. Mit dem „Revierbericht 2082“ erscheint nun die Version für die aktuelle Edition von SHADOWRUN.
Die alternative Geschichtsschreibung verschont auch Deutschland nicht
Wie auch im Rest der Spielwelt von SHADOWRUN begannen die Umwälzungen in Deutschland um das Jahr 2000 herum. Seuchen, Drachen, Kriege im Innern und Außen – sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Am Ende stand die Allianz Deutscher Länder (ADL), die als lose Klammer inzwischen 18 Bundesländer umfasst. Eines davon ist Nordrhein-Ruhr, das neben dem Bergischen Land, dem Niederrhein und dem Sauerland den Rhein-Ruhr-Megaplex beheimatet, ein urbaner Moloch, der von Bonn über Köln und Düsseldorf bis ins Ruhrgebiet reicht und erst hinter Unna wieder in flaches Land übergeht.
25,7 Millionen Metamenschen (also neben dem guten alten Homo Sapiens auch Zwerge, Elfen, Orks, Trolle und andere) leben inzwischen im Megaplex, an der am dichtesten besiedelten Stelle in Essen-Nord sind es 13.688 pro km². Dicht bebaut und im Vergleich zum realen Ruhrgebiet immer noch sehr von großen Industriewerken geprägt, ist der Rhein-Ruhr-Megaplex alleine dadurch schon ein raues Pflaster. Hinzu kommen das organisierte Verbrechen, ethnische Spannungen, bodenlose Armut und die üblichen sozialen Ungerechtigkeiten, die einen unverschuldet an den Rand der Gesellschaft drängen.
Die perfekte Spielwiese für SHADOWRUN
Der Rhein-Ruhr-Megaplex eignet sich vorzüglich als Schauplatz für SHADOWRUN. Machttrunkene Konzerne, abgebrühte Kriminelle und gefährliche Straßen bieten die ideale Kulisse für Aufträge in den Schatten. Eine Spielhilfe zu dieser Region dürfte sich also fast wie von alleine schreiben. Außerdem gibt es bereits Vorgängerpublikationen, auf die zurückgegriffen werden kann. Insofern wundert es nicht, dass der Detailreichtum im „Revierbericht 2082“ besonders groß ist.
Dabei ist es nicht so, dass jede Stadt bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet wird. Die Beschreibungen geben ein grobes örtliches Flair vor, beinhalten die wichtigsten legalen und illegalen Unternehmen vor Ort, sowie einige Schauplätze wie Fabriken, Nachtclubs, Sportstätten und Kneipen. Trotzdem gelingt es auch auf jeweils zwei bis drei Seiten, etwas differenziertere Eindrücke zu liefern.
So wird Köln von Medienkonzernen dominiert, aber weiterhin auch vom Erzbischof, wohingegen die Oberbürgermeisterin eine Hermetikerin der pro-magischen Partei der neuen Ordnung ist und die türkische Maffiya mit kleineren Gangs um die Kontrolle des Kölner Hafens streitet. Diese vielfältigen Spielansätze ziehen sich durch das gesamte Buch bis hin zur inzwischen völlig grünen Stadt Hagen, die von elfischen Familien dominiert wird.
Der „Revierbericht 2082“ enthält viele nützliche Details
Besonderes Augenmerk richtet der „Revierbericht 2082“ auf einige ausgewählte Orte. Dazu gehören die Nobelgegend Neu-Essen rund um den Baldeneysee, die völlig verbaute Stadt Wuppertal, der als Schwarzer Souk bekannte Schwarzmarkt in Köln-Ehrenfeld, die neben Menschen aus allen Nationen inzwischen auch von Feen bewohnte Nordstadt in Dortmund, der nie ruhende Duisport und die schicke Altstadt von Düsseldorf.
Außerdem werden die Konzerne beschrieben, allen voran Krupp und Thyssen. Eine Fusion hat es in der Welt von SHAODWRUN nie gegeben und die beiden sind erbitterte Konkurrenten, Seader-Krupp angeführt vom Drachen Lofwyr und jeweils umgeben von einer Schar an Tochterunternehmen in verschiedensten Branchen. Aber auch die anderen Megakonzerne haben natürlich Niederlassungen im Plex, ebenso wie es zahlreiche keine aber unabhängige Unternehmen gibt.
Einblicke zu Gangs und Sicherheitsbehörden, sowie zum generellen Leben im Rhein-Ruhr-Plex runden die Spielhilfe ab. Exemplarische NSC und 10 beispielhafte Schauplätze geben Material für eigene Szenarien an die Hand. Informationen beinhaltet der Band also viele, allerdings mal wieder keinen Index, sondern stattdessen ein ausartendes Inhaltsverzeichnis.
Mal kitschig, mal fehlerhaft, aber doch sehr brauchbar
Dennoch merkt man dem „Revierbericht 2082“ an, dass er mit viel Liebe zum Detail gestaltet wurde und vieles an realem Lokalkolorit aufgreift. Klar, das wirkt manchmal kitschig, wenn zum Beispiel von raubeinigen „Schimanski-Bullen“, die nach einem Fernseh-Cop benannt werden, der vor 100 Jahren seinen ersten Auftritt hatte. Auch finden sich einige kleine Fehler. So entdeckt der ortskundige Autor dieser Zeilen auf der beiliegenden Stadtkarte von Bochum stirnrunzelnd den „Korfumpark“ oder die „Bessermannstraße“, eigentlich „Kortumpark“ und „Bessemerstraße“.
Sei’s drum. Von solchen Kleinigkeiten abgesehen ist der „Revierbericht 2082“ eine lesenswerte Spielhilfe geworden, die auf jeder Seite direkt mehrere Anspielideen liefert und eine fantasievolle Aufarbeitung des Rhein-Ruhr-Gebiets für die Spielwelt von SHADOWRUN darstellt. Wer Runs in Deutschland planen möchte, sollte zu diesem Buch greifen.
Der Soundtrack aus dem Pott für den Revierbericht: BONDED – Into Blackness / KREATOR – Pleasure to Kill / RAGE – Resurrection Day
Würfeln und blättern, statt lauschen und headbangen – In der Rubrik „Dice ‚em All“ stellen wir euch ausnahmsweise keine Musik vor, sondern Rollen- und Brettspiele.