SEVEN SPIRES hatten ihr drittes Album „Gods Of Debauchery“ 2021 nur etwas mehr als ein Jahr nach dem Zweitling „Emerald Seas“ veröffentlicht. Damals lieferte die Band aus Boston nicht nur keinen Schnellschuss ab, sondern hatte sich im Vergleich zu den beiden Vorgängern auch nochmal merklich gesteigert und die Trilogie um ihre Heldin Solveig in über 70 Minuten Spielzeit zu einem imposanten Abschluss gebracht. Mit „A Fortress Called Home“ brechen SEVEN SPIRES allerdings nicht zu komplett neuen Gewässern auf, denn wer die Handlung der drei Konzeptalben verfolgt hat, wird hier gewisse Querverweise erkennen, auch wenn die Stücke inhaltlich diesmal nur lose zusammenhängen.
SEVEN SPIRES bleiben vielseitig
Nicht nur verharren SEVEN SPIRES aber weiter in der von Fronterin Adrienne Cowan erdachten, dunkelromantischen Fantasywelt, auch ihre beeindruckende Vielseitigkeit hat sich die Truppe auf „A Fortress Called Home“ bewahrt. Wo sich viele Bands im Symphonic-Metal-Sektor nämlich selbst in ein Korsett aus Konserven-Bombast, simplen Riffs und opernhaftem Geträller schnüren, pfeifen SEVEN SPIRES auf jegliche Zwänge und gehen, wohin die Muse sie treibt. Daraus ergibt sich ein Album, auf dem so verschiedene Genres wie symphonischer Black- und Death Metal, Gothic, Power Metal, Progressive Metal sowie Einflüsse aus Jazz, Pop und Celtic Folk zusammenkommen, ohne dass man sich dabei je wie im falschen Film fühlt.
Bombast gibt es auf „A Fortress Called Home“ natürlich trotzdem zur Genüge, dieser verkommt aber nie zum Selbstzweck, denn trotz der opulenten und bisweilen regelrecht cineastischen Orchestrierung wird hier allen Musikern genügend Raum zur Entfaltung gewährt. Adrienne Cowan brilliert erneut als Allzweckwaffe am Mikrofon und wechselt spielend zwischen sanftem Gesang, hohen Power-Metal-Tonlagen, eisigem kreischen und brutalen Growls. Gitarrist Jack Kosto ergeht sich derweil in so manchem ausschweifenden Solo und Peter de Reyna haut eine feurige Basslinie nach der anderen raus. So geil geslapt wie bei „No Place For Us“ wird auf Symphonic-Metal-Alben jedenfalls eher selten. Als Fundament dient das massive und extrem vielseitige Schlagzeugspiel des leider inzwischen zu TESTAMENT abgewanderten Chris Dovas. Kein Wunder, dass ihm die Bay-Area-Thrasher den Zuschlag gegeben haben.
Virtuose Einzelleistungen hin oder her, auf die Songs kommt es letztlich an und hier wird wie gesagt so einiges geboten. Der Opener „Songs Upon Wine-Stained Tongues“ etwa steigt direkt zwischen schwarzer Raserei und opulenter Musical-Dramaturgie ein, inklusive leidenschaftlichem Gesangsduett. Das poppige „Almosttown“ täuscht mit ordentlich Pomp und eingängigem Refrain erstmal generische NIGHTWISH-Kost an, hat aber instrumental schlicht mehr unter der Haube als die durchschnittliche Holopainen-Disney-Komposition. Der Übergang zu biestigen Growls und schließlich zu einem leichtfüßigen Power-Metal-Finale, bei dem Adrienne Cowan mit hohem Falsett direkt in ein famoses Gitarrensolo überleitet, ist zudem unglaublich geschmeidig umgesetzt und sorgt für Glücksgefühle.
„A Fortress Called Home“ ist ein bunter Strauß stilistischer Einflüsse
„Love’s Souvenir“ entführt zunächst völlig überraschend mit einem lässigen Pianomotiv und schmachtendem Gesang in einen verrauchten Jazz-Keller, bevor das Stück in einem progressiven Metal-Sturm explodiert, der schließlich in ein opernhaftes Prunkfinale mündet. „Architects Of Creation“ wiederum bietet symphonischen Extreme Metal par excellence, bei dem Adrienne Cowan Gift und Galle spuckt, während beim bereits erwähnten „No Place For Us“ neben den überaus markanten Basslines auch alle anderen Stärken der Band zum Tragen kommen. Hochmelodische Leads, waghalsige Breaks, die volle gesangliche Bandbreite von hart bis herzlich und ein mitreißender Chorus geben sich hier die Klinke in die Hand.
Und damit hat man eigentlich erst an der Oberfläche gekratzt, denn wie schon der Vorgänger ist auch „A Fortress Called Home“ ein bunter Strauß stilistischer Einflüsse, der als Ganzes aber absolut Sinn ergibt und bei dem unglaublich viel zu entdecken ist. Eine gewisse Toleranz für Theatralik und etwas Kitsch ist natürlich auch weiterhin gefordert. Bringt man diese auf, wird man allerdings reichlich belohnt, denn SEVEN SPIRES verbraten bisweilen in einzelnen Songs mehr Ideen, als die Genre-Konkurrenz auf ganzen Alben.
Nichtsdestotrotz ist „A Fortress Called Home“ etwas kompakter geraten als „Gods Of Debauchery“ und weist insgesamt weniger stilistische Brüche auf, weshalb alles nochmal ein wenig schlüssiger ineinanderfließt. Das Resultat ist eines der abwechslungsreichsten Symphonic-Metal-Alben der letzten Jahre von einer Band, die den Großteil ihrer Kollegen längst abgehängt hat und viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Auch von Leuten, die angesichts des Genres sonst eher die Nase rümpfen.
Ich kannte Seven Spires bisher nicht, aber das Review hat mich neugierig gemacht und ich muss sagen: was ein geiles Album!
Die stilistische Bandbreite ist enorm und fügt sich doch als ein ganzes zusammen. Insbesondere die stimmliche Vielfalt von Ms. Cowan ist grandios.
Habe mir dann auch gleich noch das Vorgängeralbum angehört, welches auch sehr zu gefallen weiß, aber noch nicht ganz so stimmig ist wie dieses Meisterwerk.