Seth - La morsure du Christ

Review

Die aus Bordeaux kommenden SETH gehören unumstritten zu der Speerspitze des französischen Black Metals. Schließlich schafften sie es zeitgleich mit BLUT AUS NORD, diesen einem internationalen Publikum schmackhaft zu machen. Mal ganz davon abgesehen, dass sie schon 1998 mit dem Debütalbum „Les Blessures De l’Ame“ moderner und wegweisender klangen als viele andere Kapellen heutzutage.

„La morsure du Christ“ – Der Untergang des Christentums

Mit ihrem neuesten Werk „La morsure du Christ“ soll nun der Kreis geschlossen werden, den SETH vor 23 Jahren geöffnet haben (keine Angst, sie lösen sich damit nicht auf). Thematisch befasst sich „La morsure du Christ“ mit dem Großbrand der Pariser Kathedrale Notre Dame, der diese fast vollständig zerstört hatte.

SETH sehen darin den Höhepunkt des Untergangs des westlichen Christentums, der sich im Verlauf der letzten 20 Jahre abgezeichnet hat. Die Texte sind zudem im barocken Versmaß Alexandriner gehalten.

SETH sind auf dem Zenit angekommen

Rein thematisch schon heftige Kost, die nur noch von der unbarmherzigen Musik übertroffen wird. Denn SETH beweisen schon mit dem Opener „La morsure du Christ“, dass sie auch fast ein Vierteljahrhundert nach ihrem Debüt nicht an Klasse und Härte verloren haben.

Sie vereinen darauf alles, was guten, epischen Black Metal ausmacht, ohne sich dabei auf ausgetretenen Pfaden zu begeben. So wie sie dieses Genre zur Wiege gebracht haben, schaffen sie es auch, dieses zur vollmundigen Reife zu bringen. Da können sich DIMMU BORGIR oder MEPHORASH noch ein paar Scheibchen abschneiden.

Ein Höllenritt der düsteren Musik

Doch der Titeltrack ist bei weitem nicht das Highlight auf „La morsure du Christ“. Der folgende Song „Métal noir“ wartet mit einer Keyboard-Wand auf, die einem das Herz zum Glühen bringt. Ein düsteres und doch spirituell erhellendes Stück Musik, welches so seinesgleichen sucht.

„Sacrifice de sang“ dagegen beginnt eher rituell, fast beschwörend, und ehe er sich versieht, ist der Hörer mittendrin in der perfekten Melange aus Härte und Düsternis des Albums. Fast – aber auch nur fast – sind dabei  BEHEMOTH oder MERRIMACK raushören.

Die Wermutstropfen auf dem heißen Gebälk

Doch ganz frei von Kritik sind auch SETH natürlich nicht. „Ex-cathédrale“ ist zwar musikalisch auf höchstem Niveau, allerdings stört das gewählte Versmaß in der ersten Hälfte den Hörgenuss. Der Song entfaltet zudem erst in der zweiten Hälfte seine volle Größe. Ein weiterer Abstrich geht an die Produktion, die versucht, modern und trotzdem gewohnt nach Black Metal zu klingen.

Allerdings fehlt es an manchen Stellen an Druck. Dennoch schaffen es SETH auf „La morsure du Christ“ ungemein dicht und vielschichtig zu klingen. Eine Tatsache, die gerade im Black Metal nicht selbstverständlich ist.

Der würdige Abschluss

Mit „Hymne au vampire (Acte III)“ läuten SETH das Finale eines bis hierhin schon sehr gelungenen Albums ein. Und der Auftakt hat sich mehr als gewaschen. Denn mit „Hymne au vampire (Acte III)“ übertreffen sich die Franzosen noch einmal selbst. Bis zum grandiosen, von einem Kinderchor eingesungenem Finale, ist der Song ein Glanzstück französischer Epik geworden.

Doch damit nicht genug. Auch „Les océans du vide“ und „Le triomphe de Lucifer“ reihen sich nahtlos in die lange Liste der Höhepunkte ein.

Aus der Asche gehoben

SETH haben sich ganze acht Jahre Zeit gelassen, um sich mit einem wahren Meisterwerk des modernen Black Metals zurückzumelden. Mal abgesehen von dem holprig beginnenden „Ex-cathédrale“ ist jeder Song für sich genommen ein besonderer Höhepunkt, der vielleicht noch eine minimal bessere Produktion verdient hätte.

Vor allem das Drumming könnte etwas druckvoller rüberkommen. Aber das ist meckern auf hohem Niveau. Kurzum: Wer die perfekte Mitte im Dreieck von DIMMU BORGIR, BEHEMOTH und MEPHORASH sucht, sollte hier blind zuschlagen.

Text: Tim Otterbeck

14.05.2021
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