SEPENTENT ist das Outfit der Musikerin Anne K. O’Neill aus Seattle, die mit „Ancient Tomes, Volume I: Mother Of Light“ ihr Debütalbum vorlegt. Das ist mit einer Spielzeit von über einer Stunde schon mal ein ziemlicher Brocken, während sich die darauf enthaltene Musik eher zurückhaltend gibt: Die neun enthaltenen Titel sind im Bereich Folk Noir bzw. Dark Folk angesiedelt, wobei die klare, auch im feinfühligen Timbre angenehme Stimme der Protagonistin ein wesentliches Element ist.
SERPENTENT spielen Folk Noir
Der erste Band der von SERPENTENT entstaubten „alten Wälzer“ beginnt im Intro „The Descent“ sehr ruhig mit sanftem Regen und gezupften Akustikgitarren, die mal melancholisch, mal barock klingen. Beim anschließenden Titeltrack erhebt Anne K. O’Neill das erste Mal ihre Stimme und führt über gezupften Gitarren durch den Song. Wenn nach der Hälfte Akkorde auf dem Flügel dazukommen, melden sich beim Hörer das erste Mal die Nervenbahnen, die für Gänsehaut zuständig sind.
„Winding“ fährt einen etwas mechanisch klingenden, aber auf einem Akustikdrumset eingespielten Rhythmus auf, während der Anschlag auf der Akustikgitarre ganz im Stile von :OF THE WAND AND THE MOON: gehalten ist; die Parallelen sind nicht zu überhören, aber der größte Unterschied zum Outfit des Dänen Kim Larsen ist eben der souveräne weibliche Gesang, der dem Song dann doch eine andere Note gibt.
Vertonung von Rilke – mit Akzent
In „Sonette an Orpheus: IV“ outet sich die Musikerin als große Bewunderin des deutschen Dichters Rainer Maria Rilke: Zunächst wird ein Zitat aus seinem Gedicht „Der Panther“ eingespielt, während sie später die vierte Strophe der „Sonette“ selbst vertont. Die Musik ist feinfühlig und melancholisch, wohingegen der Akzent der Nordamerikanerin kaum erahnen lässt, dass es sich bei dem Text um Deutsch handelt – sei’s drum.
Während der erste Teil von „Ancient Tomes, Volume I: Mother Of Light“ in seiner Feinfühligkeit, Melancholie und Zerbrechlichkeit durchaus vollmundig daherkommt, bedeutet das folgende „Ой, ти місяцю“ einen Bruch: Dabei handelt es sich um ein ukrainisches Volkslied, das man sich auf den einschlägigen Musikplattformen in verschiedenen Versionen zu Gemüte führen kann; keine Ahnung, wer die vorliegende Version eingesungen hat, sie klingt allerdings so wie ein Chor wirklich alter Frauen – und da steht Authentizität eindeutig vor gesanglicher Schönheit.
Das anschließende „Death“ liegt aber wieder in der Spur und präsentiert SERPENTENT im gewohnten Gewand; ja, ausgerechnet angesichts des Todes zeigt sich so etwas wie ein Silberstreif am Horizont, wenn Anne K. O’Neill ihre Stimme ein wenig in die Höhe schraubt. Eher dramatisch geht es im melancholisch schönen bis wehklagenden „Mother Of Light“ weiter, wohingegen „The Fountainhead Of Fire“ sich wieder deutlich zurücknimmt. Den Abschluss bildet das bisweilen jubilierende „Rise & Fall“, das wieder Schlagzeug auffährt (was bei der ansonsten vorherrschenden Abwesenheit desselben den interessanten Effekt ergibt, dass der Rhythmus sogleich stampfend wirkt).
„Ancient Tomes, Volume I: Mother Of Light“ hat einen (oder anderthalb) Makel
Nimmt man jeden Song für sich, dann sind sie (abgesehen vielleicht vom ukrainischen Volkslied, das wie ein Fremdkörper wirkt) wirklich schön – und bisweilen regen sich auch die Synapsen, die wahlweise einen wohligen Schauer über den Rücken jagen oder für Gänsehaut sorgen. In einem Punkt leidet „Ancient Tomes, Volume I: Mother Of Light“ allerdings an einer alten, wohlbekannten Krankheit: Es ist einfach zu lang, und dass die Aufmerksamkeitsspanne gerade zum Ende hin deutlich nachlässt, ist nicht zu verleugnen. Natürlich kann man jetzt einwenden, dass man sich ja die besten Songs rauspicken kann – aber auch die Spannungskurve gehört bei einem guten Album mit dazu. Da bleibt die Hoffnung, dass die Amerikanerin in Zukunft die guten Seiten beibehält, aber auch bei diesem Punkt ansetzt.
>Nimmt man jeden Song für sich, dann sind sie (abgesehen vielleicht vom ukrainischen Volkslied, das wie ein Fremdkörper wirkt) wirklich schön<
Das soll wohl auch eher ein politisches Statement sein, so wie das Internet mit "Slava Ukraini" vollzuspammen. Das hier soll kein politisches Statement sein, ich lehne nur jede Form von Aktionismus ab. Who gives a fuck.. was auch diesen Kommentar einschließt.