Es gibt eine Menge Bands, die richtig gut darin sind, schwebende Klanggebilde mit verschachteltem Songwriting zu verbinden, und die dann Alben erschaffen, die für sich genommen kleine Meisterwerke sind. TOOL sind in dieser Katagorie natürlich die Könge, aber auch ähnlich vom Alternative Rock beeinflusste Bands wie KARNIVOOL oder eher im Prog Rock beheimatete Künstler wie Steven Wilson (Solo und mit seiner Band PORCUPINE TREE) haben ihre eigene, herausragende Formel gefunden. Das Geheimnis hinter Klassikern wie „Lateralus“, „In Absentia“ oder neueren Klassealben wie „Sound Awake“ ist dabei das unnachahmliche Songwriting-Gespür. Musik, die als Kunst wahrgenommen wird, die eigene Welt kreiert, in die man wirklich eintauchen kann, ist nicht leicht zu erschaffen, wenn gleichzeitig die Songs und der künstlerische Anspruch stimmen müssen. Letzterer ist in diesem Genre höher als nirgendwo sonst in der Rockwelt, und all diese Bands vereint, dass sie das größtmögliche, fast spirituelle Maximum, das mit Musik möglich ist, ohne ausladendes Gefrickel, aber mit enorm viel liebe zum Detail erreichen – vor Allem aber dadurch, dass sie eine mitreißende, das Herz berührende Melodie aus der Luft greifen können.
Die Niederländer SEMISTEREO versuchen sich an genau diesen Dingen – und sind nur sehr vereinzelt erfolgreich. Ihr selbstproduziertes und – betiteltes Album ist einfach vollkommen überambitioniert und krankt an dem Willen, unbedingt aufs Äußerste beeindrucken zu wollen. Die Stimme von Sänger Martijn Weyburg liegt irgendwo zwischen Maynard Keenan und KARNIVOOLs Ian Kenny, und man hört der Musik an, dass es exakt diese Bands sind, von denen sich SEMISTEREO irgendwie beeinflussen lassen wollten. Die Gesangslinien, die bei den wirklichen Könnern trotz aller Vielschichtigkeit fast immer souverän wirken, sind hier allerdings absolut nervenzehrend, weil Martijn sich ständig an Oktavenwechseln versucht und Melodien unendlich in die Breite zieht. Immer dann, wenn man glaubt, er beschränke sich auf seine angenehme mittlere Stimmlage, versaut der nächste aufgesetzte Schlenker den Eindruck aufs Neue. Die recht gelungene, ruhige musikalische Basis gibt noch nichtmal sonderlich viel Anlass zur Kritik. Progressiver Post-Rock eben, der nur selten ins Metallische abdriftet, durch diverse instrumentale Spielereien stellenweise spannend. Die Kompositionen allerdings sind über weite Strecken des außerdem viel zu langen Albums nichtssagend und einschläfernd, und herausragende Momente, die einem den Atem rauben oder eine Gänsehaut bescheren, fehlen komplett. „Mr. Mouse“ und „Monster“ sind mit ihrem jammerhaften Emotionsoverkill sogar ziemlich unerträglich. Noch dazu fehlen dem öden Gezeter die Ausbrüche. Mal ein angezogenes Riff, ein Schrei, irgend etwas, was Farbe und Tiefe in den zähflüssigen Klangkosmoss bringt.
SEMISTEREO machen den Eindruck, sie wollten dem Hörer etwas vermitteln, wozu sie nicht im Stande sind, weil ihrer Musik das wichtigste Element fehlt: das Herz. Die Band sollte es vielleicht nochmal mit etwas weniger Anspruchdenken versuchen und der Hörerschaft zunächst ein paar aufs Wesentliche reduzierte Rocksongs bescheren. Es mag angenehm sein, sich von der ein oder anderen netten Gitarrenmelodie und ein wenig Klaviergeklimper berieseln zu lassen, den Beweis, dass die Band Songs schreiben kann, die sich irgendwo festsetzen, ist sie aber vollkommen schuldig geblieben. Kurz gesagt: Das Meer der Langeweile kann unfassbar tief sein.
Kommentare
Sag Deine Meinung!