Stillers Tod und Seelenschnitt - Die Leeren Kinder

Review

Es gibt richtig spannende Angelegenheiten als Rezensent, sogar schon bevor man eine CD wirklich in den Händen hält. Es gibt immer kontroverses Material, aber die Dinge können auch anderweitig interessant werden. Etwa dann, wenn sich zwei Bands die Spielzeit auf einer Split teilen, beide aber in der Vergangenheit derart unterschiedlich bewertet wurden. So geschehen bei STILLERS TOD und SEELENSCHNITT, deren Split-Werk „Die Leeren Kinder“ vor mir liegt.

Während Kollege Falk SEELENSCHNITT mit 1/10 Punkten eine verbale Ohrfeige verpasste, fand ich für STILLERS TOD Debütalbum „Katharsis“ fast nur lobende Worte. Wie können beide Bands nur auf einer Veröffentlichung verewigt sein? Ganz einfach, Samael, der Mann hinter SEELENSCHNITT ist inzwischen auch bei STILLERS TOD untergekommen – warum auch immer.

Denn von der Musik her agieren SEELENSCHNITT bis zu dieser Veröffentlichung ziemlich dilettantisch: Das ist nicht viel mehr als Krach. Aber was ist bloß geschehen? Der Opener „I.Lebe86“ beweist, dass bei Samael tatsächlich eine Steigerung möglich war. Die Produktion, zuvor eine einzige Katastrophe, ist inzwischen passabel, und auch musikalisch hat sich einiges getan. Von Krachexperimenten hat sich der Herr scheinbar verabschiedet, vielmehr gibt es melodischen Black/Dark Metal, der durchaus atmosphärisch ist. Zwar kein Übersong, aber eine vernünftige Entwicklung. Ähnliches gilt auch für den zweiten Song „Antica Europa“. Was allerdings „Morgenrot“ darstellen soll, ist nicht ganz klar. Geschlagene 17 Minuten gibt es Experimente am Keyboard, deren Beat zeitweise aber wie eine Voreinstellung als Beispiel-Musik klingt und darüber hinaus im ersten Teil eine einzige schräge Noise-Collage ist, schmerzhaft!

Den Mittelpart der Split nimmt ein gemeinsamer Song ein, der laut Bandinfo in einem ziemlichen Rausch entstanden ist. Genau so klingen die zwanzig Minuten auch. Eigentlich ist „Scherbensammler“ ein wirkliches Ärgernis, denn es ist weder ein wirklicher Song noch im Ansatz vernünftig produziert. Die einzelnen Schnipsel (oder eben Scherben) wirken ohne Liebe aneinandergepappt, und der Black-Metal-Part kurz vor der Halbzeit wirkt, als hätte er auch auf „4571-12571“ unterkommen können – ganz schwach.

Schnell gelöst, hoffentlich retten STILLERS TOD die Split noch zu einer einigermaßen erträglichen CD, denn bislang stehen zwei ordentliche Stücke beinahe 40 Minuten Quälerei gegenüber. „Einen Sommer lang“ erinnert dann auch gleich etwas an „Katharsis“, aber auch an NOCTE OBUDCTAs ältere Tage. Leider scheint auch Mastermind Kargaist in Sachen Produktion nachzulassen. Trotzdem, nettes Stück mit sphärischen Keys, harmonischen Leads und überraschenden Prügelattacken – gewohnte Qualität. Dagegen wirkt „Selbstzerstörung“ wie ein Tritt in die Weichteile. Halbgares Black/Thrash-Geschrammel, unnötig, langweilig, es zündet überhaupt nicht – da hilft auch das in den Ohren schmerzende Gitarrensolo nicht. Wenigsten wird man „In Siebensommernächten“ dann von klanglichen Eskapaden verschont, und es folgt ein epischer Ausklang.

Eine ziemlich durchwachsene Angelegenheit. Während SEELENSCHNITT zunächst noch überraschend musikalische Kost abliefern, verfallen sie doch wieder in alte Krachexperimente, und STILLERS TOD erreichen die Qualität von „Katharsis“ leider nur bedingt. Was bleibt, ist ein äußerst verwirrter Eindruck, gerade weil mindestens die Hälfte der Zeit verschwendete Lebensenergie ist und die andere Hälfte zumindest nettes Stückwert ist. Ich hoffe einfach auf ein kommendes Album und behalte auch SEELENSCHNITT weiter im Auge – in der Hoffnung, dass das Experimentieren zugunsten der Harmonie aufgegeben wird.

18.09.2011

Chefredakteur

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