Scum - Purple Dreams & Magic Poems

Review

SCUM entammten dem finnischen Death-Metal-Sumpf, aus dem Anfang der 90er Jahre zahlreiche Bands hervorgingen, die internationale Bekanntheit erlangten. Die Band aus dem ostfinnischen Parikkala (direkt an der russischen Grenze) gehörte zwar nicht zur allerersten Generation, konnte aber nach dem ass-kicking betitelten Demo „Extreme Analcore Torment“ von 1992 und einer Single einen Plattendeal bei Black Mark ergattern und sicherte sich damit einen internationalen Vertrieb und eine ebensolche Verbreitung ihrer Scheiben. Mit dem ersten Album „Mother Nature“, das sich am klassischen Death Metal skandinavischer Schule orientierte, waren sie 1994 eher spät dran, und das gilt auch für das vorliegende Album „Purple Dreams & Magic Poems“ von 1995.

SCUM waren spät dran

Während nämlich zahlreiche Death-Metal-Bands der ersten Stunde längst ihren Sound modifizieren und gewöhnlichen Metal oder Gothic-Einflüsse integrieren, agieren SCUM hinsichtlich Innovationen zurückhaltender. Sie liefern einen gelungenen Mix aus bereits Vorhandenem, wobei sie nie aus dem Auge verlieren, dass Death Metal das Rückgrat ihrer Musik ist. Innovationen um ihrer selbst willen (die in der Rückschau ja häufig altbacken klingen) passen also nicht ins Konzept der fünf Finnen.

Was diesbezüglich vielleicht am meisten auffällt, ist der betont harsche, finnisch-tonlose Grunzgesang, von dem Sänger P.T. Askola auf dem gesamten Album keinen Millimeter abweicht. Zum Glück, möchte man meinen, denn in dieses viehische Grunzen will man sich doch am ehesten verlieben.

Viehisches Grunzen (und sonst nichts)

Die Musik wiederum ist ein bunter Mix aus verschiedenen Einflüssen: Das Album beginnt mit einem finnisch melancholischen Intro, das im Fahrwasser von AMORPHIS über die tausend Seen schippert. Dann gibt es beispielsweise UNLEASHED-Trademark-Riffing in „Circus Of Freaks“, und damit recht traditionellen Stoff. In „Narcotic Dreams“ und „In The Crest Of The Northern Waves“ finden sich aber auch TESTAMENT-Hooks wieder und damit Verweise auf alte Helden, die ja zwischenzeitlich nicht als der heißeste Scheiß gehandelt wurden. Das langsame und eher epische „White Dragon“ enthält demgegenüber PARADISE LOST-Leads der damals aktuellen Variante. Diese epische Note passt natürlich am besten zum Text über die heidnischen Traditionen im schneebedeckten Norden und den mächtigen Lalli, der dereinst den christlichen Bischof Hendrik mit einer Axt erschlug.

Wie bereits angesprochen gibt es auf „Purple Dreams & Magic Poems“ aber kein Gothic-Feeling. Stattdessen geht der flotte Uptempo-Track „Oriental Fantasy“ als stimmungsvolle Umsetzung des farbenprächtigen Necrolord-Albumcovers durch. Nicht zuletzt beim Interludium mit weiblichem Gesang und Hare-Krshna-Flüstern freut man sich als Hörer über die Gnade dieser Melodien.

„Purple Dreams & Magic Poems“ und das Beste beider Welten

„Purple Dreams & Magic Poems“ verbindet also ziemlich gekonnt das Beste beider Welten: Einerseits ist es immer noch zupackend genug für ein Death-Metal-Album und spart die Seichtgebiete aus, auf die viele Bands, die mal mit Death Metal begannen, zielstrebig zuschipperten. Andererseits enthält es aber eine Vielseitigkeit, die es nicht langweilig erscheinen lässt. Und hört mal genau hin: Die Gitarrenleads sind äußerst souverän gespielt und die Rhythmusgitarren ziemlich originell. Etwas genauer hinhören muss man beim Sound: Die Tico-Tico-Produktion erschien dem Verfasser dieser Zeilen immer schon druckvoll, aber auch merkwürdig. Die Erklärung: Der Sound der Gitarren ist geclippt, weshalb sie nicht den ursprünglichen Dynamikumfang haben.

Darauf, dass SCUM damit eher ein Geheimtipp blieben, hat der Sound aber keinen Einfluss gehabt. Wie gesagt, die Band war wahlweise etwas spät dran oder nicht innovativ genug. „Purple Dreams & Magic Poems“ hat aber tolle Songs und ist heute noch ein hörenswertes Kleinod des finnischen Death Metals, das man kennen sollte.

Happy End nach zwei Jahrzehnten

Dass die Band danach aber sang- und klanglos verschwand, hatte andere Gründe: SCUM nahmen 1996 noch mit „Garden Of Shadows“ ein komplettes Album auf. Als sie aber von Black Mark keinerlei Reaktion darauf bekamen, lösten die fünf Musiker ihre Band kurzerhand auf. Andere Zeiten, andere Geschichten. Immerhin erblickte die Scheibe zwanzig Jahre später doch noch das Licht der Öffentlichkeit – als offizielle Veröffentlichung über das Label Blood Music.

13.01.2021

- Dreaming in Red -

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