Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Der Anfang vom Ende oder die letzte starke Platte? Das ist die Gretchenfrage, die sich SCORPIONS-Fans immer wieder stellen, wenn es um „Savage Amusement“ geht. So oder so markiert das zehnte Album der Hannoveraner 1988 einen Wendepunkt in der Karriere von Deutschlands Hardrock-Export Nummer eins.
Die SCORPIONS auf der Experimentierwiese
Ähnlich wie DEF LEPPARD ein Jahr zuvor auf ihrem Megaseller „Hysteria„, beginnt Hauptkomponist Rudolf Schenker mit Synthesizern und Samples zu experimentieren. Dabei lässt der Opener „Don’t Stop At The Top“ mit knackigen Riffs und dem kraftvollen Gesang Klaus Meines noch eine recht logische Fortsetzung der vorangegangen Platten vermuten.
Klar, der Sound ist etwas polierter. Doch in Sachen Songwriting liefert der Track genau den Stoff, den Fans der SCORPIONS im Jahrzehnt der hochtoupierten Haare erwarten. Die folgende Vorabsingle „Rhythm Of Love“ wiederum ist eine Halbballade aus dem Bilderbuch und „Passion Rules The Game“ ist ebenso klassisches 80er-SCORPS-Material. Warum also die ganze Aufregung?
Wohin geht die Reise?
Das offenbart spätestens „Media Overkill“. Der Vocoder-Einsatz im Intro erinnert überdeutlich an „Livin‘ On A Prayer“. Offensichtlich haben die SCORPIONS BON JOVIs Karriere seit dem gemeinsamen Auftritt im Madison Square Garden – bei dem BON JOVI wohlgemerkt die Vorband waren – genau verfolgt.
Trotzdem ist der Song eine cool groovende Nummer für die Tanzflächen. Mit „Walking On The Edge“ gibt’s noch eine weitere Power-Ballade auf die Ohren. Die kann nicht ganz mit Großtaten wie „The Zoo“ mithalten, ist aber noch weit von späteren Schmalz-Verbrechen der Band entfernt
Das zähe „Believe In Love“ allerdings zeigt, wohin die Reise der SCOPRIONS mit dem Nachfolgeralbum „Crazy World“ gehen wird. Anders als beispielsweise beim ähnlich gelagerten „Still Loving You“ geben sich die SCORPIONS ziemlich kitschig. „We Let It Rock…You Let It Roll“, der vermeintlich härteste Song des Albums, möchte rauer sein, als es die Produktion zulässt und hat weder griffige Riffs noch einprägsame Gesangslinien am Start.
„Savage Amusement“ – ein zweischneidiges Schwert
Auch „Every Minute Every Day“ zündet mit seinem klischeebehafteten „Need Your Love“-Refrain allenfalls beim durchschnittlichen Charthörer. Zwar sind selbst die schwächeren Songs auf „Savage Amusement“ keine Totalausfälle, aber sie sind eben längst nicht so stark wie das Material, das die SCOPRIONS in der ersten Hälfte des Albums präsentieren. „Love On The Run“ ist allerdings kurz vor Schluss eine verdammt spritzige Uptempo-Nummer, die ein wenig an selige „Blackout“-Tage erinnert.
Somit bleibt die Platte ein zweischneidiges Schwert. Starke Songs gelingen Rudolf Schenker und seinen Mannen zur Genüge. Aber der ein oder andere Schlenker in den Kitsch, der die spätere Karriere der SCORPIONS bestimmen sollte, lässt sich nicht verleugnen.
Doch am Ende überwiegt das Positive vor allem aufgrund der saustarken ersten Hälfte. Somit sei an dieser Stelle festgehalten: „Savage Amusement“ ist das letzte wirklich gute Album der SCORPIONS.
Bis auf den letzten Satz würde ich das Review so unterschreiben. Allerdings finde ich nicht, dass es sich um das letzte gute Album handelt. „Crazy world“ oder auch „Sting in the tail“ finde ich (mindestens) genau so gut.