

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.



Alles neu bei den SCORPIONS? Zwischen der Veröffentlichung von „Lonesome Crow“ im Februar 1972 und „Fly To The Rainbow“ im November 1974 hat sich einiges getan. Fangen wir mit dem Personal an: nur noch Klaus Meine und Rudolf Schenker sind im Vergleich zum Debüt dabei. Neu an Bord sind Uli Jon Roth an der Gitarre, Francis Buchholz am Bass und Jürgen Rosenthal an den Drums. Auch ein Keyboarder ist mit Achim Kirschning am Start.
„Speedy’s Coming“, die SCORPIONS kommen mit Tempo
Anstatt mit einem Klangvisionär wie Conny Plank (unter anderem KRAFTWERK, ELOY, später RHEINGOLD oder DAF) zu arbeiten, nehmen Klaus Meine und Rudolf Schenker die Produktion selbst in die Hand. Zu den Aufnahmen geht es nach München und der Opener „Speedy’s Coming“ sorgt vom ersten Moment für einen Kontrast zum Debütalbum. „Fly To The Rainbow“ startet genau mit den Trademarks, die sich zu den Erfolgsgaranten der Band entwickeln sollten. Der vor allem in den Höhen starke Gesang, sowie die Saitenarbeit der beiden Ausnahmegitarristen Roth und Schenker sorgen für mehr als ein Ausrufzeichen.
“They Need A Million” holt die akustische Gitarre hervor, es geht weniger temporeich zu Sache und die Instrumentalfraktion zeigt ihr können. Dazu ist mit Rudolf Schenker eine weitere Stimme am Mikro zu finden. „Drifting Sun“ holt mit Uli Jon Roth Sänger Nummer drei aufs Parkett. Das knapp achtminütige Stück erhält einen psychedelisch-krautig-progressiven Touch, unter anderem mit verfälschten Stimmfarben, bleibt aber klar in der Struktur und ufert nicht endlos aus.
Pompöse, getragene Melodien gehören in den 70ern auf eine Rock-LP. „Fly People Fly“ ist der Beitrag der SCORPIONS. Klaus Meine hat das Mikro in der Hand, drückt aber seinen Stempel nicht so durch wie beim Opener „Speedy’s Coming“.
„This Is My Song“ eröffnet die B-Seite. Es wird rockiger, aber nicht so zwingend und schnell wie zum Start der LP. „This Is My Song“ leitet gemächlich von „Fly People Fly“ in den zweiten Teil der Scheibe über. Auch der Nachfolger „Far Away“ geht in eine ähnliche Richtung. Stilistisch lösen sich die Scorpions noch nicht vom angesagten Rocksound der frühen 70er Jahre.
Genau wie auf „Lonesome Crow“ gibt es zum Abschluss einen Langläufer mit knapp zehn Minuten. Bei „Fly To The Rainbow“ übernimmt erneut Uli Jon Roth die Vocals. Akustische Instrumente als Intro, dann wird es wie bei „Drifting Sun“ strukturiert progressiv. Der rote Faden ist immer greifbar und Roth lebt seine Vorliebe für komplexe Arrangements aus. Diverse technische Effekte, Sprechgesangspassagen und verschiedene Rhythmuswechsel sorgen dafür, dass die SCORPIONS klanglich noch im deutschen Rock-Geschehen verortet sind.
„Fly To The Rainbow” in der Retrospektive
Die Kritiken zur zweiten LP der SCORPIONS fielen deutlich wohlwollender aus als beim Debüt. „Fly To The Rainbow” wird als gutklassiges Rockalbum eingestuft. Trotzdem sind die SCORPIONS noch klar im Schatten von den angesagten englischen Hardrockern wie DEEP PURPLE, URIAH HEEP oder auch UFO und der Scheibe „Phenomenon“, wo der ehemalige SCORPIONS-Gitarristen Michael Schenker sein Debüt feiert. Der Weg für die weitere Entwicklung ist geebnet und große Teile der zukünftigen Bandbesetzung sind auf dem Album „Fly To The Rainbow” bereits dabei.
Nach dem starken Anfang mit „Speedy’s Coming“ driften die SCORPIONS noch in Richtung Progressivität und psychedelischen Krautrock. Gute Ansätze sind bei fast allen Stücken zu finden. Die Herren probieren einen Spagat zwischen ihrer eigenen Philosophie und dem angesagten Sound der Zeit.
Von „Fly To The Rainbow” gehen insgesamt mehr als eine Million Exemplare über die Ladentheke und ist rein kommerziell betrachtet ähnlich erfolgreich wie „Lonesome Crow“. Wer die SCORPIONS abseits ihrer Erfolgsformel erkunden möchte, der findet mit Album Nummer zwei ein gutklassiges, abwechslungsreiches Rockalbum, wo noch nicht alles perfekt sitzt, aber das Potential der Herren mehr als deutlich aufblitzt.
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Sachlich nüchtern betrachtet stimmt alles im obigen Text. Dass Ulrich Roth eher die Finger an der Gitarre als seinen Gesang sprechen lassen sollte, darf man evtl noch erwähnen. Den Hendrix macht er dabei aber umso besser und da kann man sagen, was man möchte, Roth hat diese klassische Phase bis zur Tokyo Tapes einfach geprägt.
Zu erwähnen sei noch das arschdoofe Albumcover, was halt null zum Album passt und was ich bis heute nicht begreife…was oder wer soll das sein? Aber gut, da kommen noch gänzlich andere Cover, die zum Glück heutzutage nicht mehr möglich sind. Ja. Ich mein dich, Virgin Killer.
Ich würde dem Album auch wieder einen Punkt mehr geben, weil gerade das Titelstück für mich zu den besten Lieder der Scorpions gehört und in der Live-Version auf Tokyo Tapes seine Vollendung findet. Ab jetzt wird jedes weitere Album mehr und mehr Hits liefern. Zumindest bis 1988.