Schattenbrandung - I - Apophänie

Review

Mit SCHATTENBRANDUNG kommt eine junge, fünfköpfige Band aus Stuttgart um die Ecke, die scheinbar noch nicht großartig auf sich aufmerksam gemacht hat, zumindest ist im Internet nur sehr wenig zu finden. Und nun: Ein erstes, in Eigenregie entstandenes Album, das gleich mit seiner Betitelung „I – Apophänie“ darauf hinweist, dass es wohl nicht bei dieser einen Platte bleiben soll. In der Tat: Ein Blick auf den Promozettel zeigt, „Apophaenie“ ist der erste Teil einer geplanten konzeptuellen Trilogie, die beiden Teile „II – Apostasie“ und „III – Apotheose“ sollen in den nächsten Jahren folgen.

Apophänie bezeichnet in der Psychologie das Phänomen, dass in verschiedenen zufälligen Mustern vermeintliche Bedeutung erkannt wird und wie auch immer das im Zusammenhang mit Apostasie (vollständige Ablehnung einer Religion) und Apotheose (Gottwerdung eines Menschen) steht oder stehen wird: Das Debüt von SCHATTENBRANDUNG ist keinesfalls ein aus sinnlosen Mustern und Strukturen zusammengestückeltes Werk, sondern wirkt von Anfang bis Ende durchdacht und durchkonzipiert, aber dennoch nicht (allzu) verkopft. Geboten wird eine Mischung aus Death Doom und schleppendem, melodischem Post Black Metal, manifestiert in sechs langen bis überlangen Songs, durchnummeriert, allerdings nicht ihrer Nummerierung entsprechend auf dem Album platziert (Song Nummer „II“ stellt den Opener da, „I“ befindet sich an fünfter Stelle, „VI“ gibt es gar nicht, dafür „VII“).

Vergleiche für das, was SCHATTENBRANDUNG machen, zu finden, gestaltet sich als gar nicht so einfach. Zwar blicken immer wieder solche Bands wie AGRYPNIE, jüngere TODTGELICHTER oder deren Semi-Ableger KRATEIN durch, auch kann man in dem einen oder anderen melodischen Lead FÄULNIS (auf deren Album) heraushören, aber das alles wird hier, bei SCHATTENBRANDUNG, eben durch den Doomwolf gedreht – und gerade das ist auch der Punkt, an dem ich mit „I – Apophaenie“ nicht ganz warm werde. Denn wo auch immer SCHATTENBRANDUNG einen Gang zulegen (in „III: Eine neue Ordnung“ zum Beispiel, oder im letzten Drittel von „IV: Die Sonne auf Erden“), da können sie wirklich überzeugen, zeigen Emotionen und ein in dieser Form nur selten gehörtes Gespür für klimatisches Zuspitzen von Riffs und Arrangements. Das ist, was SCHATTENBRANDUNG wirklich können, allerdings ist eben ein großer Teil des Albums im Doom Metal verwurzelt – und hier muss ich sagen, dass zumindest ich diese Passagen von Zeit zu Zeit zu zahm finde. Das mögen andere anders sehen, aber Doom dieser Art funktioniert für mich vor allem düster und dreckig – SCHATTENBRANDUNG versuchen aber mit ihrer Musik überwiegend urban zu klingen, und in diesem Kontext und auch in Verbindung mit den sozialkritischen, teils sogar ungewöhnlicherweise (links-)politisch anmutenden Texten entfalten die Doom-Passagen nicht wirklich die Wirkung, die sie haben könnten.

Nichtsdestotrotz ist „I – Apophänie“ ein gutes Album. Eines, das seine Schwächen hat und deshalb nicht als Muss gelten kann, aber das mit Sicherheit einige Freunde und Abnehmer finden wird, zumal es einige wirkliche Höhepunkte auf das Album geschafft haben, wenn die Band zu einer der bereits genannten klimatischen Spitzen ansetzt oder wenn man (wie in „VII“) eine herrlich einfache, aber effektive Leadgitarre über eine sehnsüchtig-verlassen gezupfte Akkustikgitarre legt. Das ist um so erfreulicher, als dass die fünf Herren aus Stuttgart ein sympathisches Geschäftsmodell haben: Ab Releasetag (21.10.12) wird das Album (veröffentlicht unter Creative-Commons-Lizenz) als kostenloser Download zur Verfügung stehen, wer die Band dennoch unterstützen möchte, kann für 10 Euro eines der 444 Exemplare des Albums erstehen. Aus dem Promozettel: „Der Preis ist kostendeckend gestaltet – ist die Scheibe ausverkauft, haben wir eine schwarze Null geschrieben.“ Ergo: Reinhören kann nicht schaden, bei Gefallen die Band zu unterstützen ebenso wenig.

18.10.2012

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