Viel zu lange hat die SCHANDMAUL-Auszeit gedauert. Und auch wenn man die Band in erster Linie an der Live-Front schmerzlich vermisst hat, sind auch die Erwartungen an ein neues Studioalbum nicht gerade gering. Doch die Fans können aufatmen, natürlich werden sie auch dieses Mal nicht enttäuscht. Dabei klingt „Traumtänzer“ im Detail hörbar anders als der Vorgänger „Anderswelt“. Die Produktion ist irgendwie trockener, erdiger, wodurch das Rock-Feeling stärker zum Tragen kommt. Gleichzeitig wirken die Songs so rund wie nie zuvor, vereinen mühelos die verschiedensten neuen Stilelemente, ohne dass dies dem Zuhörer beim ersten flüchtigen Hineinschnuppern überhaupt auffällt.
Extrem entspannt und harmonisch wirkt das Zusammenspiel der Musiker auf „Traumtänzer“. Und doch kommt keine Langeweile auf, jeder Song hat seinen eigenen Charakter und fügt sich doch perfekt in den Gesamtkontext des Albums ein. Fast vermisse ich die Ecken und Kanten, die das Songwriting auf den früheren SCHANDMAUL-Platten noch kennzeichneten. Dabei nisten sich die neuen Stücke lediglich eine Spur subtiler in den Gehörgängen ein und keineswegs weniger hartnäckig.
Thematisch bedient man sich wieder bei Seefahrt-Motiven („Auf hoher See“, „Der Anker“), mystisch angehauchten Träumereien („Traumtänzer“, „Mein Lied“), kitschfreier Liebesdichtung („Die Rosen“, „Halt Mich“) und Mittelalterlichem („Der Alchemist“, „Schwur“). Während die genannten Stücke dem geneigten SCHANDMAUL-Fan größtenteils recht vertraut vorkommen dürften, fallen die übrigen etwas deutlicher aus dem Rahmen. So klingt das flotte „Pakt“ nach einem typischen Zigeunerlied, während das stark akzentuiert gespielte „Hexeneinmaleins“ zwischen Abzählreim-Versen und einem genialen Ohrwurm-Refrain hin und her wechselt.
„Bis Zum Morgengrauen“ greift – wie der Titel bereits nahe legt – die noch immer schwer im Trend liegende Vampir-Thematik auf. Im Vergleich zu Stephenie Meyers Teenie-Schmonzetten haben SCHANDMAUL aber nicht nur auf das zweite „s“ verzichtet, sondern auch auf den überbordenden Kitsch. Musikalisch machen spanische Gitarren und Mexiko-Trompeten das Lied zu einem Highlight des Albums. Eindeutig auf einer Literatur-Vorlage basiert hingegen „Geas Traum“, bei dem die Gruppe eng mit dem Fantasy-Autor Wolfgang Hohlbein zusammenarbeitete und einen Teilaspekt von dessen Roman „Infinity – Der Turm“ vertonte.
Mit viel Groove und starken Riffs, über denen gequälte Schalmeien- und sehnsüchtige Geigenklänge schweben, kommt der „Assassine“ daher, der mit der Zerrissenheit eines Auftragsmörders, der seine Geliebte töten soll, auch textlich überzeugen kann. Weniger düster kommt da „Des Dichters Segen“ daher, das rhythmisch und melodisch völlig aus der Reihe tanzt und dadurch SCHANDMAUL kurz vor dem Ende noch einmal von ihrer Schokoladenseite zeigt.
Durchhänger finden sich auf „Traumtänzer“ keine. Allerdings wirkt das Album über weite Strecken etwas nüchterner und weniger märchenhaft als der direkte Vorgänger „Anderswelt“. Das kann man mögen oder nicht, in jedem Fall zeigt sich hier eine deutliche Weiterentwicklung. Das sehr kompakt und rund wirkende Songwriting lässt die nach wie vor prominent vertretenen Mittelalter- und Folk-Elemente etwas in den Hintergrund treten und betont die rockige Seite von SCHANDMAUL. Dass die Kompositionen trotzdem mit jedem Hördurchlauf weiter wachsen, zeigt die Raffinesse, die das Sextett in dieser Hinsicht inzwischen entwickelt hat. Die mehrmonatige Auszeit hat SCHANDMAUL also gut getan und lässt für die anstehende Tour wahrlich Großes erhoffen.
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