Acht Jahre, ein Sängerwechsel und nicht zuletzt eine globale Pandemie liegen zwischen dem starken SCARNIVAL-Albumdebüt „The Art Of Suffering“ und dem vorliegenden Zweitling „The Hell Within“. In dieser Zeit hätte die Band die Strecke zwischen dem heimatlichen Hannover und dem schwedischen Melo-Death-Epizentrum Göteborg und zurück auf Schusters Rappen gute 290 mal zurücklegen können (Quelle: Google Maps). Doch genug der nutzlosen Fun Facts, schließlich interessieren wir uns viel mehr für die Musik des Quintetts – und diese lässt die Distanz zwischen Hannover und Göteborg schlagartig gen Null schrumpfen.
Aus ihren Vorbildern machen SCARNIVAL nicht den geringsten Hehl. Wo man sich beim Debüt sogar noch die direkte Unterstützung von Björn „Speed“ Strid als Gastsänger sicherte, ist ein solch offensichtlicher Fingerzeig freilich gänzlich unnötig, um den unbedarften Zuhörer an dessen Band SOILWORK, aber auch andere Göteborg-Giganten wie AT THE GATES oder IN FLAMES denken zu lassen. Und wo „The Hell Within“ somit nicht mit überbordender Innovativität aufwartet, lassen das starke Songwriting und die gelungene Interpretation des längst ikonisch gewordenen Sounds Fragen nach einer Existenzberechtigung für SCARNIVAL gar nicht erst aufkommen.
SCARNIVAL legen den Finger in gesellschaftliche Wunden
Thematisch setzen sich die Hannoveraner vornehmlich mit gesellschaftlichen Themen auseinander. Da gibt es mit „Alternative Facts“ harsche Kritik an den populistischen Auswüchsen unserer gegenwärtigen sozialmedialen Diskussionskultur und mit „Colour Under The Skin“ ein – derzeit leider wieder immer notwendiger erscheinendes – klares Statement gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Kein Wunder also, dass der von SCARNIVAL angeschlagene Tonfall durchgängig harsch und aggressiv bleibt. Das ist insofern schade, als dass „The Hell Within“ dadurch eine gewisse Gleichförmigkeit ausstrahlt und die einzelnen Songs bei aller gebotener Qualität etwas zu wenig Raum lässt, einen starken eigenen Charakter zu entwickeln.
Umso wirkungsvoller werden dadurch die Stücke, in denen SCARNIVAL persönlicheren Motiven Raum geben, wie beim grandiosen „Circles“. Hier lockern ruhigere, zerbrechlichere Parts das Geschehen auf und zeigen eine andere Facette der Band, welche dieser gleichermaßen gut zu Gesicht steht wie das ansonsten allgegenwärtige Riff-Gewitter. Mit der Party-Abrissbirne „30666 – H-Town Destroyer“ setzen SCARNIVAL dann dem gleichnamigen Lokal-Metal-Förderverein ein Denkmal, dessen Präsident immerhin Gitarrist Hendrik „Henna“ Deutsch persönlich ist. Natürlich hat man es sich auch nicht nehmen lassen, in der Hymne die stellvertretende Vorsitzende und lokale Szene-Ikone Britta „ElchQ“ Görtz (CHAOS RISING, HIRAES, ex-CRIPPER) zu Wort kommen zu lassen.
Endveredelung natürlich in Göteborg
Endveredelt wird „The Hell Within“ mit einer extrem fetten Produktion, die alle Instrumente wuchtig und kristallklar in Szene setzt und dabei auch den erstklassigen Gesang von Alexander Unruh weder absaufen lässt noch überbetont. Die Entscheidung, das Album von Robert Kukla in den Obsidian Recording Studios und dem Studio Fredman in – natürlich! – Göteborg mischen und mastern zu lassen, hat sich für SCARNIVAL definitiv gelohnt. Und glücklicherweise mussten die Musiker ihre Festplatten mit dem Aufnahmematerial dann doch nicht zu Fuß dorthin bringen.
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