Scar Symmetry - Pitch Black Progress

Review

Vor etwas mehr als einem Jahr veröffentlichten SCAR SYMMETRY ein Album, das nicht nur meinen Kollegen David qualitativ zu überzeugen vermochte. Für ihr Debüt „Symmetric In Design“ hagelte es quer durch die Fachpresse Lobeshymnen. Und genauso schnell, wie jenes zusammengeschraubt wurde, schieben die Schweden den Nachfolger hinterher, der auf den programmatischen Titel „Pitch Black Progress“ hört. Wobei in den ersten Minuten eher an einen Rückschritt zu denken ist. Die ersten drei Songs präsentieren sich in lieblichen Weichspüler getunkt, an einen Vollwaschgangopener der Marke „Chaosweaver“ ist hier gar nicht zu denken. Die kompromisslose Härte scheint zwar immer noch durch, jedoch vermögen flaues Songwriting und powermetallische Refrains, die zugegebenermaßen recht catchy sind, die Begeisterungsstürme des Debuts zunächst nicht neu zu entfachen. Zudem erscheint es unverständlich, wieso Fronter Christian eklatant viel Gebrauch von Cleanvocals macht und seine ansonsten im tiefsten Kellergeschoss agierende Stimme in großen Teilen in den Hintergrund drängt. Kein Auftakt nach Maß also und als man denkt, hier hätte sich eine weitere Newcomerhoffnung selbst den Bach runtergespült, packen SCAR SYMMETRY plötzlich die Keule aus. Denn nun wird gebollert, gerifft und variiert, dass die kreativen Funken sprühen. Ihre modernen todesmetallischen Trademarks haben sich SCAR SYMMETRY in ihrer Ganzheit bewahrt und welch Daseinsberechtigung der Albumtitel hat, wird in der Folge ganz deutlich. Fortschritt ist hier nicht nur eine metaphorische Floskel, sondern ganz und gar wörtlich im musikalischen Sinne zu verstehen. Progressivität wird ganz groß geschrieben und „Pitch Black Progress“ hat davon eine ganze Ecke mehr zu bieten, als sein Vorgänger. Dessen kurze, schnell auf den Punkt kommende Melodeath-Wuchtbrummen sind zwar noch immer deutlich spürbar, machen aber gleichzeitig Platz für einen regelrechten Ballungsraum aus vertracktem Riffgetöse, filigran flirrenden und weit ausladenden Soli und ebenso schwerer als zuvor zugänglichen Songstrukturen und Arrangements. Dabei strebt das Album vom mit fetten Blasts ausgestatteten und nach vorn preschenden „Dreaming 24/7“ über das AMORPHIS- und MEGADETH-Feeling atmende „Abstracted“ kontinuierlich seinem Höhepunkt zu, der da heisst: „The Kaleidoscopic God“. Mit diesem Song dürften sich SCAR SYMMETRY selbst ein Denkmal gesetzt haben, denn er enthält alles, was den Großteil von „Pitch Black Progress“ so hörenswert macht: eine pfeilschnell davoneilende Doublebass, die mit den 1/64-Stakkato-Highspeed-Riffattacken zu einer heiß schneidenden Linie verschmilzt, mitreißend progressiv-melodische Soloorgien, leicht aber dennoch spürbar angedeutete Orchesterstimmen, einen raumgreifenden, epischen Refrain, einen spannenden und dramatischen Aufbau und somit insgesamt einfach nur irre viel Abwechslung, die sich in den folgenden, zwar nicht ganz so bombastisch konzipierten aber dennoch hochklassigen „Retaliator“ und „Oscillation Point“ nahtlos fortsetzt. Wäre der schwache Anfang nicht, „Pitch Black Progress“ hätte satte 9 Punkte verdient.

22.04.2006
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