Savage Grace - Sign Of The Cross

Review

Wer Subtilität und Geschmack sucht, ist bei SAVAGE GRACE am weitesten davon entfernt. Wenn man Lust hat Niveaulimbo zu spielen, ist man bei Chris Logue und seinen Recken gut aufgehoben: Erlaubt ist schließlich, was Bock macht. Die völlig missglückte Reunion im Jahr 2009 mündete darin, dass der Gitarrero sich mit einem Vorschuss aus dem Staub machte und in Deutschland per Haftbefehl gesucht wurde (!!!).

Nun ja, bei solchen Charakteren ist wundervolles Entertainment eigentlich vorprogrammiert. Obwohl „Sign Of The Cross“ das erste SAVAGE GRACE-Album seit 37 Jahren darstellt, lässt dieser Fakt die meisten Leute ziemlich kalt.

…Zu unrecht?

SAVAGE GRACE: Ein barbarischer Angriff

Der Opener „Barbarians At The Gate“ semmelt kurzhaarigen Djent-Bubis erst einmal die rostige Streitaxt in den Schädel: Als Zuhörer bekommt man das sofortige Bedürfnis, zum Dosenbier zu greifen und es in einem Zug zu leeren. Die Vocals des neuen Frontmanns Gabriel Colón erinnern an einen angepissten Rob Halford oder sein deutsches Äquivalent Ralf Scheepers.

Hallo? Was braucht man denn schon mehr, um glücklich zu sein?

Eigentlich nur gescheite Leads – doch was Chris Logue uns auf „Sign Of the Cross“ offeriert, lässt einen prustend und kopfschüttelnd zurück. Viele Soli sind dermaßen schief und mit einer derartigen Scheißegal-Attitüde runtergefiedelt, dass man diese Konsequenz einfach nur bewundern muss. Wir hören jemanden, der offensichtlich Spaß an der Sache hat, aber absolut keine Ahnung von korrekter Intonation und Technik haben will.

Man kann über diese Performance sagen, was man möchte – aber nicht, dass sie keinen Charme hat.

Ein stählernes Rendezvous

Die Single „Rendezvous“ ist dermaßen drüber, dass man sie einfach nur lieben muss. Uns erwartet Cock-Rock der käsigsten Sorte sowie Stilmittel, die völlig aus der Zeit gefallen sind. Der Machismo junggebliebener Hengste wird von den erwähnten Leads und einer herrlichen Poserattitüde umrahmt. Einfach wunderbar!

Ach ja: Metal hat so zu klingen wie „Stealin’ My Heart Away“. Dieser Song verkörpert alles, was dem Genre heutzutage fehlt. Die wunderbare rohe Produktion des Albums und die überragende Gesangsleistung von Gabriel Colón sorgen für ein Gefühl, welches viele Fans schmerzhaft vermissen dürften. Liedgut von solcher Qualität tröstet auch über einen Filler wie „Slave Of Desire“ hinweg.

Nägel mit Köpfen

Was ist ein „gutes“ Album? Klar könnte man „objektiv“ an den Silberling herangehen und ihn wegen seiner „Geschmacklosigkeit“ verreißen – doch alles andere außer 9 Punkte wäre eine Frechheit.

Man kann ein Album wie „Sign Of The Cross“ einfach nicht planen. Es wirkt wie ein völlig spontaner Unfall ohne jegliches Kalkül: Die Platte bringt eine Gefährlichkeit und Lebendigkeit mit, die die meisten Metalheads eigentlich schon längst verloren geglaubt haben. Das authentische Rock ´n´ Roll Feeling kommt auf einem entgleisenden Zug daher und wir erhalten einfach nur ein großartiges Schmankerl.

 

16.07.2023

Werbetexter und Metalhead aus NRW.

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