Als im Jahre 2008 “The Age Of Nero” erschien, wurden erste Abnutzungserscheinungen im Hause SATYRICON sichtbar. Satyr und Frost hatten ihren Stil so sehr destilliert, dass am Ende nur eine zwar pechschwarze, aber auch etwas geschmacklose Suppe übrig geblieben war. Um sich der klebrigen Masse zu entledigen, brauchte das norwegische Duo fünf Jahre und brachte im Jahr 2013 schließlich ein selbstbetiteltes Album raus, das in diesem Zusammenhang durchaus als Befreiungsschlag betrachtet werden kann.
Satyr zeigte sich spielfreudig und kreativ wie nie, probierte ungezwungen neue Ideen aus und verpasste alten Stilelementen einen neuen Anstrich. Das gefiel natürlich nicht allen Fans. Auch für meinen Geschmack war das Album nicht stimmig genug, weil die Songs zu sehr für sich standen und kein schlüssiges Gesamtbild abgaben. Insofern war es vermutlich keine schlechte Idee, das Album nach der Band zu benennen, da es den damaligen Status Quo darstellte, von dem ausgehend viele Entwicklungen möglich waren. Deswegen durfte man auch gespannt sein, wie der Nachfolger “Deep Calleth Upon Deep” klingen würde, dessen Entstehung vier Jahre in Anspruch nahm.
Düstere Hymnen und Farbtupfer
Das neue Album beginnt unvermittelt und schubst den Hörer direkt hinein in den ersten Song. “Midnight Serpent” ist ein brachialer Stampfer, der klar macht, für welche Richtung sich SATYRICON entschieden haben. Es geht in finstere Klangwelten, die zunächst an “Now, Diabolical”-Tage erinnern. Doch vom diesem Eindruck darf man sich nicht täuschen lassen. SATYRICON machen mit “Deep Calleth Upon Deep” nämlich keineswegs einen Schritt zurück, sondern liefern ein Album ab, das die Experimentierfreude aus “Satyricon” gekonnt mit der rohen Schwärze vergangener Tage verbindet. Stellenweise (“To Your Brethren In The Dark”, “Black Wings And Withering Gloom”) werden dabei sogar Erinnerungen an Frühwerke wie “The Shadowthrone” wach.
Die einzelnen Songs sind zwar abwechslungsreich, insgesamt wirkt “Deep Calleth Upon Deep” aber in sich schlüssiger und konsequenter als sein Vorgänger. Einzelne Farbtupfer durch den Einsatz von Mellotron (“Blood Cracks Open The Ground”) oder Saxonphon (“Dissonant”) lassen zwar kurz aufhorchen, werden dann aber vom Rest des Songs eingefangen. Hörner und Streichinstrumente fügen sich ohnehin nahtlos in die jeweiligen Stücke ein, da sie sich vornehmlich im Hintergrund halten und immer nur kurz in den Vordergrund treten, um vereinzelt Akzente zu setzen. Insgesamt ist der Sound etwas ruppiger als auf der “Satyricon” und wieder etwas schwärzer lackiert. Frost ist natürlich ein verlässlicher Garant für erstklassiges Schlagzeugspiel und sorgt souverän für einen dichten Klangteppich, in den Satyr groovige Melodien webt. Eine weitere Konstante ist Satyrs Gesangstil. Kurze Zeilen, die aus tiefer Kehle gekrächzt werden und schnell monoton werden können.
Ein Fundament für die Zukunft
Unterm Strich ist “Deep Calleth Upon Deep” ein sehr gutes Album geworden, das keinen Fan der letzten SATYRICON-Alben enttäuschen dürfte. Ganz im Gegenteil, denn wer den Vorgänger zu schätzen wusste, wird auch am neuen Album Gefallen finden. Zudem wächst die Platte mit jedem weiteren Durchgang, hat aber zugegebenermaßen auch einige sperrige Songs an Bord, die meiner Meinung nach einfach nur sperrig bleiben und mit der Zeit öde werden (“Midnight Serpent”, “Blood Cracks Open The Ground”). Die persönlichen Highlights und Tiefpunkte dürften aber natürlich je nach Geschmack variieren. Wer jedes SATYRICON-Album nach der “Nemesis Divina” schlecht findet, wird wahrscheinlich auch mit “Deep Calleth Upon Deep” nicht froh werden, sollte aber vielleicht doch ein Ohr riskieren. Mittendrin wird das Album meiner Meinung nach am stärksten und fährt mit “To Your Brethren In The Dark”, “Deep Calleth Upon Deep” und “The Ghost Of Rome” drei düstere Hymnen, die meinetwegen gerne wegweisend für die Zukunft der Band stehen dürfen.
Tiefe raunt der Tiefe zu
Ein kurzer Exkurs zum Schluss: Durch das ganze Album hindurch zieht sich eine düstere und melancholische Grundstimmung, die sich in den Lyrics widerspiegelt. Es geht um Verlust, vergangene Zeiten, Frust und Wut – aber auch um die Kraft, die einem innewohnt, um solche Situationen zu überstehen. Nicht umsonst ist “Deep Calleth Upon Deep” nach einer Stelle im Psalm 42 benannt, in welcher der Sänger über seelische Unruhe und Missachtung durch Ungläubige klagt, trotz allem aber aufrecht bleibt. So heißt es in der aktuellen King-James-Bibel: “Deep calls to deep / at the roar of your waterfalls / all your breakers and your waves / have gone over me […] As a shattering of my bones / my adversaries revile me / while they say to me all day long / ‚Where is your god?’” Es mag sein, dass dieses Album Satyrs Antwort an all jene ist, die sich fragen, woher er die Kraft nimmt weiterzumachen, nachdem vor zwei Jahren ein Tumor in seinem Kopf entdeckt wurde. Dass er zum christlichen Gott gefunden hat, wage ich zu bezweifeln, denn es geht wohl eher um den Gott in uns, den “God of no Gods” aus dem Opener “Midnight Serpent”. Das ist aber natürlich nur meine ganz persönliche Interpretation und jemand anderes mag es anders sehen. Über die wahre Bedeutung des namensgebenden Bibelzitats streiten sich die Theologen ja auch schon seit Jahrhunderten.
Ohne nun eine alberne „ihr seid doof, denn ich find Album xy viel besser“ lostreten zu wollen… die Kommentarfunktion ist ja offensichtlich dazu geeignet, seine eigene Meinung beizutragen und im Kontakt bzw Gespräch über Musik zu bleiben:
Für mich war „Volcano“ die letzte einigermaßen gute Satyricon, „Now DIabolical“ find ich nach wie vor sehr schwach bis mies, „Age Of Nero“ war ein kleiner Lichtblick und dann folgte mit dem selbstbetitelten absolute Belanglosigkeit. Das Album war zum einpennen lahmarschig, die Riffs total trocken und unwirksam, nutzten sich super schnell ab.
„Deep Calleth Upon Deep“ stellt da für mich eine leichte Steigerung dar, ist aber noch weit weit von einer Topleistung entfernt. Es ist ja wie immer Geschmackssache, aber für mich funktioniert diese „Reduzierung auf das Wesentliche,“ wie es Satyr einst nannte, überhaupt nicht. Ich möchte bei Satyricon geile Arrangements und eine gewisse Opulenz hören und keinen Sound, der kaum über den einer Demoband hinaus geht.
Ganz nettes Album das anfänglich jedoch ziemlich sperrig wirkt. Mittlerweile habe ich mich einigermaßen reingehört und es gefällt mir soweit auch ganz gut, haut mich aber nicht vom Hocker. „Satyricon“ bleibt wohl ewig mein Favorit.
Die Tage noch mal rein gehört und ich finde immer noch keinen rechten Zugang. Bleibt nicht wirklich was hängen. Deshalb werte ich das Album jetzt um einen Punkt ab.
es hat etwas überwindung gekostet 18 euro für 43 minuten zu opfern ! aber es hat sich gelohnt ! ich finde die scheibe klasse ! alle erwartungen wurden erfüllt ! tolle melodien die den herbst ankündigen.
Mein Favorit ist und bleibt „Volcano“. Dennoch kann ich jedem Satyricon-Album etwas abgewinnen und ich bin froh, dass hier eine Band beständig ihre eigenen Grenzen und Stilmittel auslotet. Das aktuelle Album ist ein in sich stimmiger Strom musikalischer Dunkelheit. Viel kompakter und schlüssiger als das Vorgängeralbum, jedoch wirkt es in erster Linie in seiner Gesamtheit und seiner düsteren Stimmung. Klassische Hymnen oder Ohrwürmer fehlen dagegen. Nichtsdestotrotz eine Scheibe, die hervorragend zur melancholischen Herbststimmung passt und deshalb jeden Tag im CD-Player rotiert.
Ich finde die Scheibe auch klasse … in meinem Fall aber ein „Grower“ = beim ersten Hören nicht so pralle, bzw das Gefühl nach der Veröffentlichung der ersten Single vor ein paar Wochen war eher ohne Vorfreude auf‘s ganze Album.
Das hat sich nun gewandelt – auch wenn ich den Sound auf The Age Of Nero besser finde – aber das war schon bei beim Vorgänger für mich persönlich der einzige Kritikpunkt.
Satyricon ist etwas vom ganz wenigen im Metal mit dem ich mich nie beschaeftigt habe, umso erstaunlicher muss ich sagen das mir dieses neue Album wirklich sehr gut gefaellt. Diese Mischung aus progressiven Nummern und eingaengigen Nummern die den Blackmetal nur am Rande streifen finde ich wirklich sehr gut .Ich persoenlich finde auch diesen technischen Sound fuer sehr gelungen, Fans von Portrait koennen ja gerne wiedermal schimpfen. Eines der Jahreshighlights 2017.
Kann man beim Zimmer aufräumen hören und die Texte sind ja wohl unter aller Kanone.
Eigentlich schon erstaunlich, wie hier mal wieder dadrüber diskutiert wird welches Album nun besser ist und ob das jetzige an dieses ran reichen kann. Unter den beschriebenen Favoriten ist wohl so ziemlich jedes Album der beiden aus den letzten Jahren dabei, was wohl viel mehr zeigt wie subjektiv doch die Geschmäcker sind und das Satyricon dauerhaft gute Musik produziert 😉
Zu der Platte selbst: Schöne Sache mit einigen tollen Songs für den Herbst! Definitiv hörenswert.
PS: Mein persönliches Lieblingsalbum von Satyricon ist „The Age of Nero“ 😀
Ist doch nicht erstaunlich. Das zeigt nur, dass alle Leute unterschiedliche Geschmäcker haben und jeder seine eigenen Favoriten hat, und das ist auch gut so. Im Übrigen ein Zustand, den es nicht nur bei Satyricon gibt sondern bei jeder anderen Band auch. Diese „Diskussion“ ist also völlig normal und natürlich.
Normal vielleicht, aber musikalische Diskussionen sind auch ziemlich sinnlos, sofern sie nicht auf akademischem Niveau stattfinden. Netter Zeitvertreib aber allemal… 😉
was wäre denn ein akademisches Niveau? 🙂
Totaler Quatsch.
Man braucht kein musikwissentschaftliches Studium um eine Platte bewerten zu können.
Jeder halbwegs talentierte Musiker kann Schwierigkeitsgrad und Aufbau der Kompositionen erkennen.
Jeder der sich intensiver mit der Musik einer Szene auseinander setzt, kann den Unterschied zwischen Opeth und Midnight erkennen.
Also sind Aussagen über technische Skills und Songwriting durchaus legitim.
Der persönliche Geschmack greift erst danach.
Naja ok, aber wie viele von denen, die sich im Internet über Musik auslassen, sind schon talentierte Musiker?
…und wie viele von denen sind talentierte Schreiber, geschweige denn talentierte Musikhörer?
Muss man Musiker sein, um seine Meinung über Musik abzulassen?
Vielleicht hab ich mich bzgl des Talents falsch ausgedrückt. Jeder, der halbwegs Gitarre, Bass oder Klavier/ Keyboard spielen kann, kann sich eine Meinung darüber bilden, ob ein Riff, ein Solo oder eine Akkordfolge anspruchsvoll oder plump ist.
Auch gestehe ich den Leuten, die Reviews verfassen, zu, dass sie einen intelligenten von einem langweiligen Songaufbau unterscheiden können.
Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber mein Bekanntenkreis besteht zu 70% aus Musikern.
Wilde Diskussionen über Platte xy sind da stark geschmacksgefärbt. Was völlig normal ist. Allerdings sind sich alle immer einig, ob z.B. der Drummer den Takt halten kann oder nicht oder ob seine Fills was für die Förderstufe oder für die Weltklasse sind.
aber ist das alles denn entscheidend darüber, ob Musik Qualität besitzt?
Ich weiß nicht, ich für meinen Teil ziehe lieber ein ohne „click“ live eingespieltes Studioalbum mit natürlicher Produktion und simplen, dafür aber starken Songs mit viel Seele und Atmosphäre einem total kalt und klinisch produzierten High-Tech-Hammer vor, bei dem man kaum ein Lied vom anderen unterscheiden kann. Alle zwar auf spieltechnisch hohem Niveau, dafür aber kalt und austauschbar.
Will sagen: Ich finde nicht, dass Musiker Musik am besten bewerten können, da sie vordergründig auf das Gespielte achten. Wenn jemand den Song an sich (ein Hook, die Melodie, Refrain, was auch immer) für großartig hält und der Stoff dann auch noch gewissen Anspruch enthält, dann dürften beide Seiten zufrieden sein, aber wann gibt es das schon? Für die einen sind Dream Theater Könige ihres Fachs, für die anderen nervtötendes Geheule mit kaum noch nachvollziehbarem Gitarrengewichse.
Wieso sind The Dillinger Escape Plan „besser“ als Nirvana?
Die einen frickeln sich die Finger wund, die anderen haben die eingängigeren Songs. Der eine Hörer mag dies, der andere das. Muss man da mit „besser“ oder „schlechter“ werten?
Unterm Strich ist es IMMER die Meinung eines Einzelnen und das wird sich in von Menschen geschriebenen Reviews niemals abstellen lassen. Ich denke nicht, dass es damit zu tun hat, ob jemand weiß bzw. nachvollziehen kann, was da fachlich an den Instrumenten pasiert oder nicht. Die Wirkung der Musik muss passen.
Im Drone-Bereich brauchen wir sicher nicht über technische Finesse sprechen und doch besitzen viele Kompositionen diese besondere Tiefe (im wahrsten Sinne 😀 ) oder Dungeon Synth… oh ne, das lass ich lieber ;-D
Aber das Thema wird wohl zu groß. Sorry für mein Ausschweifen 🙂
Das sehe ich genauso wie du.
Ich bezog mich nur auf den Kommentar von nili68, der eine Beurteilung abseits einer musikwissenschaftlichen Grundlage als sinnlos erachtet.
Ich persönlich ziehe auch Platten, die mir eine Gänsehaut verpassen, den Platten vor, die eine einzige Selbstdarstellung der beteiligten Künstler sind.
Oder kurz, lieber Mgla als Emperor.
Jemand der ein Review schreibt sollte aber vielleicht beide Aspekte einfließen lassen.
Und das mein ich mit nach der Beurteilung der Technik kommt der eigene Geschmack.
Was dein Dillinger/NIrvana-Beispiel betrifft, ich bin auch ein Verfechter nicht unterschiedliche Stile gegeneinander aufzuwiegen.
Ist gegen Ende des Jahres immer so eine Frage, wenn es um die Platte des Jahres geht.
Also ich möchte nicht beurteilen, ob Death Metal ab besser ist als Power Metal cd als Doom Metal ef.
Ich bezog mich da primär auf die Diskussionskultur im Internet und da möchte ich wirklich stark bezweifeln, dass da überwiegend Experten zugange sind.
Letzten Endes gefällt es oder nicht, egal wie ansruchsvoll/los etwas ist und da ändert auch diskutieren nichts dran. Soll es ja auch garnicht, schon klar. Fachsimpeln kann zwar Spaß machen, ist aber „nur“ ein netter Zeitvertreib. Sinnlos war vllt. etwas zu hart ausgedrückt. Ich bin halt kein Fachmann, aber meine Ohren reichen mir eigentlich als Reviewer… 🙂
Ich z.B. höre das kaum raus, ob jemand den Takt hält, wenn’s nicht völlig katastrophal ist oder ’nen schiefen Ton singt oder kann Gitarristen an der Spielweise erkennen oder so. Meistens weiß ich auch nicht, was alle immer von guter oder schlechter Produktion reden. Ich hör’da meistens keine Unterschiede 😀
Ich würde sagen ich bin da der normale Musikhörer/Konsument mit ’ner Meinung, wie sie größtenteils anzutreffen ist, wenn’s kein reines Musiker-Forum ist.