Satyricon - Dark Medieval Times (Re-Release)

Review

Oslo im Jahre 1993. Der gerade achtzehnjährige Multiinstrumentalist hat es irgendwie geschafft, sich sämtlicher Musiker der Band, der er 1991 beigetreten ist, zu entledigen. Nur ein ebenso junger und ambitionierter Drummer namens Frost stand dem Exzentriker zur Seite. In dieser Form haben SATYRICON bis heute Bestand. Der legendäre Beginn dieser musikalischen Partnerschaft hörte im Jahre 1994 auf den verheißungsvollen Namen “Dark Medieval Times” und sollte nebenbei ein ganzes Nischengenre begründen, Medieval Black Metal. Wenn auch überdeutlich im zeitgenössischen Geist der frühen Neunziger angesiedelt, ist das höchst einflussreiche Frühwerk STAYRICONs Black-Metal-Allgemeinbildung. Dank Napalm Records ist die Scheibe jetzt wieder auf stilechtem Vinyl (sowie allen anderen relevanten Formaten) erhältlich, wenngleich wenige Neuerungen vorgenommen wurden.

“Dark Medieval Times” – Frühes Black-Metal-Kulturgut

Ähnlich ihren Kollegen EMPEROR oder ENSLAVED hatten SATYRICON besonders zu Beginn ihrer Karriere dieses gewisse Moment jugendlichen Übermuts. Kennt man nur die “jüngere” Karrierephase dieser Band, die spätestens mit “Volcano” (2002) begann, überrascht sicher, wie ungestüm das Duo auf seinem Debüt vorging. Dabei ist “Dark Medieval Times” eines jener frühen Black-Metal-Alben, die – im Gegensatz zu IMMORTAL und DARKTHRONE – schon zu Beginn der zweiten Welle durch das Corpsepaint deutlich über den schwarzmetallischen Tellerrand schielten.

Außer den frühen ULVER gab es keine Band der zweiten Black-Metal-Welle, die bereits 1993 bzw. 1994 derartig emanzipierte Folk-Elemente in ihren Sound einfließen ließ. Deswegen ist die Rolle von “Dark Medieval Times” (neben dem Frühwerk von ULVER) im Black-Metal-Kosmos kaum zu unterschätzen. Schließlich sollten noch ganze Generationen kommender Bands auf diesen Zug aufspringen. Auch wenn die mit Flöten und Akustik-Gitarren verzierten Folk-Parts wie im Titelsong auf den ersten Hieb etwas sprunghaft und nicht selten irritierend wirken, ist es die einnehmend dichte Gesamtatmosphäre des Albums, die auch heute noch fasziniert. Ähnlich, wie die meisten alten Horrorfilme ohne CGI-Kleister tausendmal mehr Atmosphäre haben, ist es die fantasiereich dunkle Geschichtsstunde, die das SATYRICON-Debüt zu einem Klassiker mit unumstößlichen Kultcharakter machen.

Bemerkenswert ist in jedem Fall das enorme Talent, mit dem bereits der junge Satyr seine Kompositionen gestaltete und spielte. Ob schreitend majestätisch (“Skyggedans”), rasend wahnsinnig (“Walk The Path Of Sorrow”) oder in cineastische Schauerromantik getränkt (“Into The Mighty Forest”) – SATYRICON hatten von Anfang an ein beachtliches Register zu bieten. Wenn man bedenkt, dass das Duo mit jedem folgenden Album zunächst qualitativ noch zulegen konnte, ist es auch nicht allzu verwunderlich, dass beide noch nicht auf dem Zenit ihrer späteren Fähigkeiten sein sollten. Insbesondere Frost prügelt im Vergleich zur Filigranität von “Nemesis Divina” oder “Rebel Extravaganza” sicher, aber stumpf auf sein Kit ein.

SATYRICON: Debüt steht minimal im Schatten seiner übermächtigen Nachfolger

Es ist Jammern auf hohem Niveau, aber man muss festhalten, dass “The Shadowthrone” und insbesondere “Nemesis Divina” jeweils noch ein ganzes Stück stärker sind. Nichtsdestotrotz lohnt sich die Anschaffung für die klassikerfreundliche Sammlung, ganz gleich, welches Medium ihr bevorzugt.

“Dark Medieval Times” wurde ein Remaster besorgt, dass sich recht behutsam anhört und der Geschichtlichkeit dieses Klassikers gerecht wird. Erneuerungen von Artworks sind sicher immer Geschmackssache. Im Falle dieses Re-Releases wurde immerhin stilsicher vorgegangen, denn der Rahmen auf dem Cover entspricht den Porträtrahmen des Backcovers der Originalversion. Zudem sind die Bilder von Theodor Kittelsen (1857 – 1914) nicht eben unbeliebt in Black-Metal-Kreisen.

“Dark Medieval Times” ist als Digipack, farbiges Doppel-Vinyl (Kristallklar oder Gold) mit bedruckten Innenhüllen, digital oder als Deluxe-Boxset mit “The Shadowthrone” erhältlich.

21.05.2021

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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