Sanguisugabogg - Tortured Whole

Review

SANGUISUGABOGG? Ja, wieder einmal eine von diesen Bands mit den extrem unaussprechlichen Namen, einem extrem schwer zu entziffernden Bandlogo und einer extrem „pingigen“ Snare, die „St. Anger“ noch harmlos erscheinen lässt. Extreme Lyrics und eine extreme Liebe für Mid-Tempo-affinen Old School Death Metal kommen oben drauf.

SANGUISUGABOGG, die nach Blut lechzende Toilette

Der Name leitet sich vom lateinischen „Sanguisuga“ ab, was Blutegel bedeutet und kurzzeitig Künstlername für Cameron Bogg in einem kurzlebigen Black-Metal-Projekt war, und wurde einfach um seinen Nachnamen ergänzt. Dass „Bogg“ im englischen Wortschatz auch gleich noch ein Euphemismus für das Toilettengeschäft ist, rundet die Sache erst ab.

Auf den ersten Blick schreit alles bei SANGUISUGABOGG eigentlich nach Brutal Death: Songtitel, Bandname, Bandlogo, die abartige Snare (hier Stank-Face einsetzen), die extrem röchelnden Todesgurgler und die heruntergestimmten Gitarren, Pinch-Harmonics, Slams. Die gesamte Checkliste wird durchgearbeitet.

Nur eins fehlt: In Hochgeschwindigkeit wird hier nicht ausgebrochen und die Band übertreibt es auch nicht mit der Produktion, die zwar sehr modern und transparent, aber nicht klinisch-tot wie das Gros im Genre, daherkommt. Übermäßig instrumental und technisch versiert gibt die Combo sich auch nicht und stellt sich dadurch wohltuend dem „Höher, Schneller, Weiter“ im Brutal/Tech Death der letzten Jahre entgegen.

Vielmehr orientiert man sich hörbar bei Old-School-Tugenden. Ihre Labelnachbarn FROZEN SOUL haben ein ähnliches Konzept, sind musikalisch aber wesentlich traditioneller unterwegs als die verrückten Vier aus Ohio. Also hier eher mehr AUTOPSY auf „Shitfun“ als die nächste Slam-Worldwide-Band oder GUTALAX, obwohl die auch durchscheinen.

„Tortured Whole“ ist ein herrlich rotzig-asozialer Einstand

Nach ihrem durchaus schon wohlwollend aufgenommenen Demo „Pornographic Seizures“ 2019 haben sich Century Media nicht lange bitten lassen und nun erblickt das Debüt „Tortured Whole“ bereits das Licht der Welt. Die Band ist fühlbar gern im Midtempo, dem asozialen Urschlamm von Caveman-Riffs und pingeligem Pringes-Snare-Krach zu Hause, der extrem eingängig, aber auch erwartbar primitiv bleibt.

Ein gewisser primitiver Humor offenbart sich nicht nur in den Tracknamen („Dick Filet“, „Menstrual Envy“). Auch ihre Videos können eine Adelung von Untergrundkult wie Troma für sich verbuchen und zeigen, dass man SANGUISUGABOGG nicht unbedingt bierernst nehmen sollte.

Zusätzlich haben sich mit „Pornographic“, „Interlube“ und „Posthumous Compersion“ noch Synthie-Interludes eingefunden, die rein thematisch in so manchen 70er-Jahre Streifen nicht fehl am Platz gewesen wären. Vielleicht ist das der Zirkelschluss zur EP. Man wundert sich nach der Info, dass der Großteil von diesem Album auf Acid geschrieben wurde, eigentlich über gar nichts mehr.

Bei der Abwechslung hapert es noch ein wenig

SANGUISUGABOGG können herrlich böse und fies sein („Dragged By A Truck“ schleift einen wirklich über den Asphalt), aber auch eintönig und unentschieden hinsichtlich der Richtung, die sie in ihren Songs einschlagen. Dabei sind es gar nicht mal so sehr die fehlenden melodischen Parts oder Refrains, viel mehr eine gewisse Abwechslung und songwriterische Ambitionen, die über die asozial-primitive Seite heraus zeigen.

Denn so ist „Tortured Whole“ zwar einerseits herrlich kurzweilig, weiß aber hinsichtlich Langzeitwirkung nicht wirklich zu überzeugen. Dafür fehlen Kniffe, mehr Tempovariationen und generell mehr Abwechslung. Und die scheint durchaus hier und da durch, etwa im hinteren Part von „Tortured Whole“. Aber die fehlende Nachvollziehbarkeit und Anbiederung an den Hörer ist vielleicht sogar gewollt.

So lässt Bogg wissen, dass er bewusst so gut wie gar keinen Metal konsumiere und sich vielmehr von Memphis-Rap hinsichtlich gewisser musikalischer Motive beim Komponieren inspirieren lässt. Nun denn, „Tortured Whole“ kann der Hörer zum Foltern (von sich selbst oder seinen Mitmenschen) durchaus verhaften, aber darf hier keine totalen Offenbarungen für OSDM erwarten. SANGUISUGABOGG sind – im besten Sinne des Wortes – die B-Movie-Verkörperung einer Death-Metal-Band. Das wird sicherlich seine Fans finden, ebenso wie Hater.

02.04.2021
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