„Eight Points from Germany go to: Finland!“
Eurovision Song Contest im Krautrock-Universum
Ja, wäre das nicht ein himmlischer Ort? Ein Universum, in dem ein Musikwettbewerb, der tatsächlich gute und ausgereifte Songs vorzuweisen hat, von einem riesigen medialen Aufwand begleitet wird? Der musikalische Qualität und Einsatz vor profane Inszenierung und 08/15-Protagonisten stellt? Wo ein Gitarrist nicht nur ein Schauspieler mit einer Gitarre ist? Dort wäre eine Band wie SAMMAL ganz sicher eine große Nummer – und ein Album wie „Myrskyvaroitus“ ein Chartstürmer! Leider müssen wir uns mit den hiesigen Gegebenheiten arrangieren und da bleibt nur die Hoffnung, dass sich künstlerischer Anspruch und hingebungsvolles Musizieren eben doch irgendwann den Anteil an Aufmerksamkeit erarbeiten, den sie verdienen.
Denn: „Myrskyvaroitus“ („Sturmwarnung“) – so nennt sich das zweite Album der finnischen Progressive Rocker SAMMAL – wird in unserem Universum wohl eher eine undergroundige Perle bleiben. Nach dem eher durchwachsenen Debüt und der überflüssigen EP „No.2“ hat die Band nach eigenem Bekunden ein neues Kapitel aufgeschlagen. Man tritt mit dem Ziel an, weniger BLACK SABBATH in die eigenen Songs einzubauen, URIAH HEEP über Bord zu werfen und damit einfach SAMMAL zu sein – und tatsächlich: Das aktuelle Werk kommt deutlich krautiger, psychedelischer und verträumter daher als die Vorgängerwerke von „Myrskyvaroitus“. Zwar ist man sich im hohen Norden grundsätzlich treu geblieben, was die eingesetzten Elemente angeht: Markant gespielte Hammond-Orgel-Motive lassen THE DOORS im Hinterkopf klingeln, spacige Klangbilder färben die ruhig vorgetragenen Passagen, sanfte Flötenklänge ertönen – all dies wirkt wie eine Zeitreise vierzig Jahre zurück. Der hörbare Einfluss progressiver, vornehmlich südeuropäischer, Rockbands der 1970er trägt sein Übriges zu den neun Kompositionen bei: „Herätkää!“ mäandert GOBLIN-haft durch die Soundkanäle, „Samaan Arkeen“ rückt die bereits erwähnten THE DOORS oder, in Ansätzen, die THE ROLLING STONES in den Vordergrund und mit „Muurahaisen Päwäuni“ ist sogar sowas wie ein schmissiger „Radio-Hit“ auf der Scheibe versteckt.
Nun ist anzumerken, dass nicht jeder Titel zu einhundert Prozent sitzt – einige Redundanzen und unnötige Längen hat „Myrskyvaroitus“ auf der Negativseite stehen. Das vollständig auf Finnisch gesungen wird ist eine zusätzliche Hürde: Gibt man „Myrskyvaroitus“ dennoch die nötige Zeit, dann fügt sich auch dieses ungewöhnliche stimmliche Klangbild in den Rahmen des Albums ein. Das Geheimnis von „Myrskyvaroitus“ ist damit eher das stimmige Gesamtbild, denn die überragende Einzelkomposition. Noch ein Wort zur technischen Aufbereitung: Die differenzierte und klare Produktion von Jaime Gomez Arellano, der sich auch schon ULVER und PARADISE LOST vorgenommen hat, rundet ein gelungenes Gesamtbild ab – ein derartig frischer, aber dennoch unaufdringlicher Klang tut dem Album wahrlich gut. Dadurch lassen sich SAMMAL auf „Myrskyvaroitus“ wie ein Soundtrack zu einem ordentlichen Gangster- oder Agentenfilm hören – Hexenkessel (Originaltitel: Mean Streets) mit Robert De Niro wäre hierfür sicherlich ein geeigneter Kandidat. Natürlich immer mit einer typisch finnischen, leicht abgedrehten Note.
Also halten wir fest: SAMMAL bieten auf „Myrskyvaroitus “ zeitlosen, progressiven Rock, der jedem Anhänger dieser musikalischen Richtung ein kleines Lächeln aufs Gesicht zaubern sollte.
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