Saltatio Mortis - Zirkus Zeitgeist

Review

Galerie mit 24 Bildern: Saltatio Mortis - MPS Speyer 2024

SALTATIO MORTIS feiern 2015 nicht nur ihr 15-jähriges Bestehen, sondern veröffentlichen mit „Zirkus Zeitgeist“ auch Album Nummer zehn. Dabei wird der auf „Das Schwarze Einmaleins“ eingeschlagene Weg konsequent fortgeführt, sodass es auch anno 2015 hymnischen Mittelalter-Rock zu hören gibt, der gerne mal in flottere und modernere Punk-Gefilde abbiegt, und auf dem überwiegend zeitgenössische Themen mit zum Teil sozialkritischem Ton besungen werden. Qualitativ steht „Zirkus Zeitgeist“ – soviel sei schon mal vorweggenommen – seinem Vorgänger in nichts nach. Die Songs sind allesamt sehr eingängig und tanzbar, versäumen es aber nicht, durch markige Ecken und Kanten, wahlweise auch durch den kauzigen Mittelalter-Charme einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Die Produktion von „Zirkus Zeitgeist“ wirkt im Gegensatz zum Vorgänger noch einmal eine Nummer crisper, auch wenn der Unterschied einigermaßen subtil ist.

Rotzig rockt der Opener „Wo Sind Die Clowns“ los, auf dem SALTATIO MORTIS ihre gewohnt gute, unprätentiöse Dichtkunst zur Schau stellen. Eine Qualität, die man einfach mal loben muss. Dem folgt das geradezu ekelhaft eingängige „Weihnachtszeit“, in dem die Totentänzer den übertriebenen Hype um das Fest der Besinnlichkeit und der Liebe und dessen wirtschaftliche Ausschlachtung genüsslich auseinandernehmen. So wird auf „Zirkus Zeitgeist“ Hit um Hit abgefeuert, wobei es gewisse wiederkehrende Themen gibt, die immer wieder aufgegriffen werden.

Das alles passt aber wunderbar in das Konzept des alltäglichen Wahnsinns hinein, der sich im „Zirkus Zeitgeist“ abspielt. Neben den Seitenhieben gegen die deutsche Griesgrämigkeit und Ernsthaftigkeit ist es auch Kritik an Politikverdrossenheit, Kapitalismus, rechten Strömungen und medialer wie gesellschaftlicher Heuchelei, die immer wieder geäußert wird. Ein zweites „Wachstum Über Alles“ gibt es zwar nicht – vermutlich sind SALTATIO MORTIS nach den, gelinde gesagt, gespaltenen Reaktionen auf den Song vorsichtiger geworden, doch auf „Augen Zu“ wird beispielsweise der deutsche Biedermann unter anderem auch im Angesicht eines aufkeimenden Rechtsruckes explizit angeprangert. Das anschließende „Geradeaus“ dürfte hingegen textlich gesehen der interessanteste Song des Albums sein, denn die Mannheimer kommentieren und rechtfertigen – bis zu einem gewissen Grade – darin ihren eigenen Werdegang und beziehen Stellung zu ihrer jüngeren Entwicklung.

Letzten Endes ist dieses Selbstverständnis auch jene Eigenschaft, die „Zirkus Zeitgeist“ vordergründig ausmacht. SALTATIO MORTIS werden mit diesem Album die eingefleischten Mittelalter-Fans wohl kaum hinter dem Ofen hervorlocken können, doch wirkt das Album auch nicht um diese Fans bemüht. Stattdessen entwickeln die Mannheimer ihren neuen, etwas mehr in der Moderne verankerten Sound weiter, ohne jedoch ihre Wurzeln ganz zu vernachlässigen. Ein Stück der alten (rockigen) SALTATIO steckt also auf jeden Fall in „Zirkus Zeitgeist“, was am ehesten bei „Maria“ erkennbar wird, aber auch im überragenden und herrlich schön sinistren „Rattenfänger“ zum Tragen kommt. Ansonsten ist „Zirkus Zeitgeist“ randgefüllt mit stadiontauglichen Hymnen, die jede Feier zum Kochen bringen sollten. Wem der gelungene Vorgänger bereits zugesagt hat, der kann auch hier bedenkenlos zugreifen. SALTATIO MORTIS machen hier zwar nicht viel neu, dafür aber so ziemlich alles richtig.

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10.08.2015

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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2 Kommentare zu Saltatio Mortis - Zirkus Zeitgeist

  1. The Bleak sagt:

    Kommt mal als Rezensent eigentlich nicht auf die Idee, bei einer derartigen textlichen Ausrichtung, auch mal die Band und ihre Methoden selbst zu hinterfragen?

  2. Rantanplan sagt:

    Wie meinst du das?