Hinterher ist man immer schlauer, ganz klar. Wenn ich also sagte, dass sich das letzte SAGA-Album „The Human Condition“ halt anhört wie ein SAGA-Album, dann war dabei die Prämisse, dass SAGA die nächsten zwanzig Jahre mit Rob Moratti weitermachen würde. Der Makel – Michael Sadler ist nicht mehr dabei – war nicht zu ändern und musste wohl oder übel akzeptiert werden. Dass der Gesang Sadlers aber ein integraler Bestandteil des SAGA-Sounds ist, das räume ich jetzt gerne ein, und das fällt mir jetzt auch leicht.
Das nur vorneweg, denn letztlich sind die beiden Alben „The Human Condition“ und „20/20“ sich sehr ähnlich, aber eben auch ganz anders. Während man sich bei Morattis Album-Einstand erst klar machen musste, worin das SAGA-typische besteht (und es war ja eben komplett bis auf den Gesang vorhanden), stellt sich bei „20/20“ ab der ersten Note ein Gefühl der Vertrautheit ein.
Und diese Vertrautheit bezieht sich nicht nur auf den Gesang von Michael Sadler, sondern auch auf die zehn Tracks auf „20/20“. Allerdings in einer etwas irritierenden Weise, denn nach dem ersten Durchlauf wartete ich vergeblich auf etwas Ungewohntes oder Überraschendes: Da gibt es mit dem Opener „Six Feet Under“ und dem abschließenden „Till The Well Runs Dry“ zwei eher progressive Stücke, wie sie auch auf den letzten Alben hätten stehen können. Da gibt es das hymnische „Ellery“, das mich ein wenig an die Atmosphäre auf „Silent Knight“ erinnert. Da gibt es den straighten Stadionrocker „Spin It Again“. Da gibt es „Another Day Out Of Sight“, bei dem Keyboarder Jim Gilmour wieder den Lead-Gesang übernimmt. Und dann gibt es mit dem verträumten „Ball And Chain“ und der Ballade „Lost For Words“ zwei Stücke, die an die Mittachtziger-Phase von SAGA erinnern.
So gesehen könnte man „20/20“ als eine Art Best-Of der Kanadier bezeichnen. Aber das ist gar nicht negativ gemeint, denn selbst wenn das Überraschungsmoment fehlt, gehen die zehn Stücke gut ins Ohr und sind teilweise äußerst mitreißend. Zudem ist das Album gewohnt schmissig produziert und spieltechnisch auf hohem Niveau – das neue Album fährt also wieder alle geliebten Trademarks auf. Und im direkten Vergleich mit den letzten Alben („The Human Condition“ möchte ich aus den genannten Gründen mal außen vor lassen) wird das gute Niveau mit den wirklich guten Songs gehalten. So gesehen bewegt sich „20/20“ in der Mitte zwischen guten sieben und knappen acht Punkten.
Bleibt die Euphorie darüber, dass Michael Sadler bei SAGA wieder im Sattel sitzt – die für mich letztlich den Ausschlag nach oben gibt. Man mag sie mir nachsehen.
Hm, nachdem ich mich als alter SAGA-Begeisterter in das neue Album reingehört habe, muss ich doch eine ziemliche Ernüchterung feststellen. Das Album klingt sehr mau und besitzt kaum noch etwas von der Power, die es auf früheren Veröffentlichungen (wenn auch zuletzt nur vereinzelt) noch gab. Klingt alles sehr nach käsiger Alt-Herren-Musik. Man merkt, dass hier nicht die gesamte Band zusammen an der Musik gearbeitet hat. Die großen Sadler-Refrains sind nicht wirklich vorhanden. Hier und da blitzen gute Momente auf aber überzeugen tuts mich insgesamt nicht richtig. Ist halt „nett“, mehr nicht. Find ich Schade. „Trust“ und selbst das schon deutlich schwächere „10000 Days“ fand ich besser.
„10,000 Days“ und vor allem „Trust“ fand ich auch ein bissel besser. Ich finde aber nicht, dass sich „20/20“ nach käsiger Altherrenmusik anhört – leicht kitschig waren Saga auch schon auf „Silent Knight“, und zu „Behaviour“ brauche ich jetzt auch nichts zu sagen. Ich mag die Alben aber trotzdem 😉
„Behavoiur“ hat aber noch sehr griffige Melodien (Musik sowie Gesang). „20/20“ klingt halt genauso wie es enstanden ist, nämlich nicht gemeinsam. Das finde ich etwas schade. Live werd ich mir die Jungs demnächst trotzdem geben, denn da sind sie eine absolute Macht. Selten so einen klasse Live-Sänger gehört und so eine perfekt zusammenspielende Band erlebt.
Ist er doch wieder zurückgekehrt, der Sadler. Schade für Moratti, hatte der seine Sache doch echt ordentlich gemacht, aber mit Sadler kann ich seit der Jahrtausendwende gesanglich sowieso etwas mehr anfangen, als noch früher. Das Album an sich bietet typische Saga-Kost, wie nahezu alle Alben nach der Jahrtausendwende. Dass man nach so vielen Jahren und Alben aber immer noch Lust hat und die Luft noch nicht raus ist, ist dennoch bemerkenswert. Opener und Rausschmeißer wissen zu imponieren, dazwischen gibt es ein paar erstaunlich rockige Nummern und die typischen ruhigeren Songs. Nichts Weltbewegendes, nichts Neues und fast frei von Highlights, aber auch frei von völligen Nullnummern. Gefällt mir gut!