Sabaton - The Great War

Review

Soundcheck Juli 2019# 5 Galerie mit 20 Bildern: Sabaton - Greenfield Festival 2023

Alle Jahre wieder gelingt es einer Handvoll Männer aus dem schwedischen Städtchen Falun, die Metalszene mit ihrer neusten Platte in Aufruhr zu versetzen. Dabei könnten die Meinungen zu den leidenschaftlichen Hobbyhistorikern gar nicht unterschiedlicher ausfallen: Für die einen gehören SABATON unlängst zur absoluten Genre-Elite, während andere sich am liebsten stundenlang über weichgespülten Schlager-Metal, Geschichtsklitterung oder das zugegebenermaßen recht skurrile Auftreten von Frontmann Joakim Brodén und seinen Männern auslassen. Viel Zündstoff also, der die Kommentarspalten und die Gemüter aller Beteiligten gleichermaßen zum Kochen bringt.

Mindestens genauso explosiv geht es seit jeher auch bei SABATON selber zu. Seit 20 Jahren drehen die Schweden nahezu alles, was auch nur im Entferntesten mit Krieg, Heldentum und Opferbereitschaft zusammenhängt, durch den Power Metal-Fleischwolf, angefangen im antiken Griechenland („Sparta“), vorbei an der Wikingerära („Swedish Pagans“) und dem Dreißigjährigen Krieg („Gott mit uns“), bis hin zu jüngeren Konflikten, wie dem Vietnamkrieg („Into the Fire“) oder dem Zweiten Golfkrieg („Reign of Terror“). Auf „The Great War“ widmen sich Brodén & Co. nun ausschließlich dem Ersten Weltkrieg. Jenem düsteren Kapitel also, welches das noch sehr junge 20. Jahrhundert in seinen Grundfesten erschütterte. Was man von diesem ambitionierten Projekt erwarten darf, erfahrt ihr hier!

SABATON – Erwartbar trotz einiger Highlights

Historisch betrachtet stellt der Erste Weltkrieg in vielerlei Hinsicht einen drastischen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit dar: Mit etwa 40 beteiligten Konfliktparteien galt er als der bis dato umfassendste Krieg, beendete gleichzeitig das Zeitalter der Imperialismus und ist aufgrund seiner schwerwiegenden Folgen als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bekannt. Ganz schön schwere Kost also, mit der sich SABATON da befassen. Dass die Schweden trotz allem ihrem formelhaften Songwriting die Treue halten, dürfte inzwischen niemanden mehr überraschen.

Der Opener „The Future of Warfare“ strotzt zwar nur so vor Energie, klingt ansonsten jedoch größtenteils wie jeder andere x-beliebige Song der Skandinavier. Selbiges gilt für das nachfolgende „Seven Pillars of Wisdom“, wobei die Nummer vor allem dank ihres immensen Ohrwurm-Chorus noch einmal die Kurve bekommt. Überhaupt scheinen sich SABATON auf „The Great War“ einmal mehr darauf zu verlassen, dass ihr klischeebeladener, geradliniger Sound auch diesmal Fanherzen höher springen lässt. So liefert „82nd All the Way“ einen stilistischen Mix aus poppigen Kitsch-Keyboardmelodien, treibender Rhythmik und einem Refrain, den man spätestens gegen Ende des Songs in und auswendig kann. „The Attack of the Dead Men“ kann dahingegen überhaupt keine Akzente setzen – weder positiver, noch negativer Natur. Auch derartige Lückenfüller gehören inzwischen leider zum Standardrepertoire des Quintetts.

Apropos standardmäßig: „Devil Dogs“ klingt geradewegs so, als hätten sich SABATON einen Tick zu oft aus „Power Metal für Dummies“ bedient. Die Nummer trieft nur so vor stereotypischem Gitarren- und Keyboardgedudel und dürfte selbst hartgesottene Fans vor eine Zerreißprobe stellen. Ganz anders verhält es sich da mit der Singleauskopplung „The Red Baron“, einer Huldigung an den legendären Kampfpiloten Manfred von Richthofen. Hier liefern die Schweden erstmals auf ganz hohem Niveau ab. Der episch-mitreißenden Melodie, den drückenden Hammond-Klängen und dem markanten Gesang kann man sich nur schwer entziehen. Auch der heroisch-stampfende, von Keyboards dominierte Titeltrack „Great War“ überzeugt, vielleicht auch, weil die Nummer gerade im Refrain sehr an den Klassiker „The Art of War“ erinnert.

„A Ghost in the Trenches“ und „Fields of Verdun“ erweisen sich als durchweg ordentliche, temporeiche und stimmungsvolle Songs. Wie angemessen Letzteres aufgrund der Weltkriegsthematik tatsächlich ist, bleibt eine andere Diskussion. Gegen Ende der Platte haben SABATON dann doch noch die ein oder andere Überraschung parat: Das aufwühlende „The End of the War to End All Wars“ trumpht nicht nur mit dem balladesken Intro, fulminanten Choreinlagen und seinem erhaben-gallopierenden Gitarrensolo auf, es ist auch ein Zeichen dafür, dass die schwedischen Panzerfreunde durchaus dazu bereit sind, die ein oder andere Konvention über Bord zu werfen. Die choralartige Vertonung des bekannten Weltkriegsgedichts „In Flanders Fields“ dürfte die wenigsten Fans wirklich interessieren, immerhin hängt sie mit dem Rest des Albums lediglich thematisch zusammen.

Sabaton - Bandfoto 2019

Von vielen geliebt, von manchen gehasst: SABATON spalten die Gemüter

„The Great War“ – Groß, aber nicht großartig

Auch Album Nummer neun mischt die Karten nicht neu: Wer SABATON von vornherein in die Ballermann-Schublade steckt, der sollte um „The Great War“ einen möglichst großen Bogen machen. All jene, die seit Jahren Sänger Joakim live lautstark dazu auffordern, „noch ein Bier“ zu trinken, werden dahingegen größtenteils auf ihre Kosten kommen. Wirklich punkten kann „The Great War“ nur dank des beachtlichen Ohrwurmfaktors einzelner Songs, dem immensen Live-Potential einiger Nummern und Brodéns gesanglicher Leistung, die das Album über weite Strecken trägt. Abzüge gibt es vor allem für das erschreckend uninspirierte Riffing, das triviale und oftmals recht monoton wirkende Songwriting und die Tatsache, dass sich SABATON nur in einigen Ausnahmefällen die Mühe machen, hier und da auch einmal ein Wagnis einzugehen. Manche Dinge ändern sich eben auch nach 20 Jahren nicht.

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17.07.2019

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6 Kommentare zu Sabaton - The Great War

  1. blizzardbeast sagt:

    Ich finde es erfreulich, dass sich der Schreiber tatsächlich im Wesentlichen auf die Musik konzentriert hat, ohne das „Sabaton-glorifizieren-Kriege“-Fass aufgemacht zu haben, auch wenn mir die Band nicht egaler sein könnte. Auf Festivals ganz nett anzuhören, auf Platte wohl wirklich nur was für Fans. Kenne die neue Scheibe nicht, aber klingt für mich alles recht einleuchtend. Dass man bei den Herren Joakim und seinesgleichen nicht den ganz großen Wurf erwarten kann, war ja klar.

  2. RTF sagt:

    Schade was aus Sabaton geworden ist. Seit einschließlich Carolus Rex geht es steil bergab mit der Musik.
    Glatt gebügelt, ohne jegliche Kanten und über produziert, das klingt schon nicht mal mehr angenehm, unabhängig von der eigentlichen Musik.
    Die Songs sind aber mittlerweile so eierlos, dass es schon weh tut.

    Ich war früher riesiger Sabaton Fan und habe mich wahnsinnig gefreut, als der Hype dann so ab 2011 richtig losging, aber mittlerweile kann ich nicht mehr nachvollziehen, wie man mit so einer Musik so einen Boom auslösen kann.

    2008 das erste mal Live gesehen, 2011 dann auf der aller ersten Headliner Show überhaupt in Deutschland gewesen. Waren Live und sind es bestimmt auch immer noch richtig gut. Wobei dieses „noch ein Bier“ getue, was es seit einigen Jahren gibt, auch ziemlich nervig ist.
    Bis Coat of Arms ein Knalleralbum nach dem anderen rausgehauen und jetzt so was. Verdammt Schade.

    Wäre das hier nicht Sabaton, sondern irgendeine x beliebige andere Metalband, wäre die Platte ein riesiger Flopp und würde bei den ganzen anderen Zeitschriften im Leben nicht so hohe Punktzahlen einheimsen.

    Jedem das seine, meins ists nicht. 5/10

    5/10
  3. Marvin sagt:

    In manchen Songs höre ich doch auch neue Melodien, fande die letzten zwei Alben etwas enttäuschend, da vorallem Heroes sehr eintönig war und sich außer paar Lichtblicke wie To hell and back oder Inmate 4859. Und The Last Stand hatte auch paar schöne Songs wie Sparta oder Shiroyama, aber es hat sich Heroes doch sehr ähnelte.

    In dem Album Great War zeigt Sabaton, dass sie doch auch die Songs gut voneinander unterscheiden kann. Sie haben ihre Musik der vorangegangenen Alben optimiert, was mir doch sehr gut gefallen hat. Seven Pillars of Wisdom ist mein Lieblingssong wegen dieser großartigen Melodie.
    Seit Carolus Rex wieder ein abwechslungsreiches Album von Sabaton.

    (Dazu muss man Sagen ich kenne nur einzelne Songs von den Alben vor Carolus Rex, eben diese welche sie auch Live spielen)

    9/10
  4. Legdrasil sagt:

    Ich versteh gar nicht was man an dem Album schlecht finden kann. Das ganze Konzept hinter „The Great War“ ist wirklich fabelhaft umgesetzt und vor allendingen, was ich seid Carolus Rex vermisst habe: Ein Hit jagt den nächsten. Vor allem der Titelsong, Seven Pillars of Wisdom, Fields of Verdun, The End of the War to end all Wars… all das sind echte Highlights, und das ohne die anderen vernachlässigen zu wollen! Ich hab es genossen und vor allem das Konzept ist wirklich schön geworden bei dem Album (sehr zu emfpehlen ist die History Edition!).

    10/10
  5. mjoelnir sagt:

    Obwohl ich Sabaton-Fan bin, muss ich dem Autor hier wirklich beipflichten. Dem Artikel ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Auf jeden Fall Danke für das ehrliche und gute Review. Ich finde man sollte sich mit Musik auch durchaus mal kritisch auseinandersetzen und nicht immer alles in den Himmel loben, wie es z.B. der Metalhammer gern macht.

    Als Fan wird man sich das Album natürlich trotzdem kaufen und letztendlich ist die Scheibe auch mehr oder weniger das, was man von Sabaton so erwartet. Nix wirklich neues und viele bekannte Melodien und Abläufe neu verpackt. Immerhin bleiben sie sich treu 🙂

    5/10
  6. doktor von pain sagt:

    „Ich verstehe gar nicht, was man an dem Album schlecht finden kann.“

    Och, ich schon… Aber ich bin auch einer dieser gemeinen Sabaton-Hater.