Ruthless - The Fallen

Review

RUTHLESS sind eine dieser 80er Bands, bei denen es im ersten Anlauf trotz musikalisch guter Voraussetzungen nicht so recht klappen wollte. Das 87er Debüt „Discipline Of Steel“ mit seinem klassischen, raubeinigen US Power Metal irgendwo zwischen JAG PANZER, OMEN, TYRANT und HALLOWEEN läuft jedenfalls auch heute noch gut rein, dennoch war kurz darauf trotz Plänen für einen Nachfolger erstmal Sense. Seit 2008 ist die Band aus Los Angeles nun aber wieder aktiv, auch wenn ein Reunion-Album erst 2015 folgte. Mit „The Fallen“ bringen RUTHLESS nun das insgesamt vierte oder, je nach Zählweise, fünfte Album ihrer etwas holprigen Karriere an den Start, mehr dazu im kommenden Interview.

RUTHLESS liefern im zweiten Karriere-Anlauf solide ab

Für Ur-Gitarrist Ken McGee war nach dem letzten Album „Evil Within“ allerdings erstmal wieder Schluss, einzig verbliebenes Originalmitglied ist daher Frontman Sammy DeJohn, der auch diesen RUTHLESS-Langspieler wieder mit seinem charismatischen Gesang veredelt. Stilistisch orientieren sich die Kalifornier natürlich weitestgehend an den eigenen Wurzeln, wobei man das Ganze soundtechnisch in einem zeitgemäßen Gewand präsentiert, ohne auf Oldschool-Vibes zu verzichten. Der Ausstieg von McGee macht sich dabei ehrlicherweise nicht wirklich bemerkbar, denn RUTHLESS strotzen auf „The Fallen“ vor Energie und liefern gut 40 Minuten knackigen US Power Metal, der bei aller Härte jedoch nicht mit Spielwitz und Melodiegefühl geizt.

Schon der Titeltrack prügelt anfangs ordentlich, kommt aber auch mit dem ein oder anderen gut platzierten Break um die Ecke, während Sammy DeJohn selbst in den hohen Stimmlagen fest im Sattel sitzt. Stücke wie das flotte „Betrayal“ und „Dead Fall“ bewegen sich ebenfalls nah an der Grenze zum Thrash Metal, während „No Mercy“, die Sword-&-Sorcery-Hymne „Thulsa Doom“ und der leicht epische Schlusstrack „Live to Die“ im wuchtigen Midtempo das Genick malträtieren.

„Dark Passenger“ und „Order of the Dragon“ wiederum muten mit euphorischem Vorwärtstrieb und tollem Melodiegefühl eher europäisch an; Ersteres erinnert von den Riffs her leicht an RUNNING WILD, während Letzteres wohl mehr als nur ein bisschen von JUDAS PRIEST beeinflusst wurde. Dazwischen gibt es mit „End Times“ auch eine astreine Doom-Nummer, bei der Sammy DeJohn passenderweise mit erhabenen Mitten glänzt.

Starke Songs, teils etwas fragwürdige Lyrics

Für Zähneknirschen sorgen allerdings bisweilen die Texte. Während der Großteil der Lyrics inhaltlich nicht mehr oder weniger plump ist als der Genre-Durchschnitt und von Horror über Fantasy bis hin zu Historischem ein weites Feld beackert, gehen „Betrayal“ und „No Mercy“ mit einem Jargon hausieren, bei dem man schon ein flaues Gefühl bekommen kann. Da wird das Volk von der diktatorischen Regierung belogen und versklavt, die Rechte werden beschnitten, es herrscht nahezu endzeitlicher Werteverfall und der Niedergang des American Way, dem natürlich ohne Gnade und mit allen Mitteln widerstanden werden muss.

Nun sind sehr direkte Anti-Establishment-Lyrics besonders im Thrash-Metal-Sektor, dem RUTHLESS musikalisch zumindest nahestehen, ja nichts Ungewöhnliches. Auch Sammy DeJohn betont im demnächst erscheinenden Interview, dass seine Interessen vielfältig sind und genannte Songs sich eher auf das allgemeine Weltgeschehen beziehen. Nur leider kann man sich die hier gebrüllten Parolen eben viel zu gut in einem Umfeld vorstellen, in dem Aluhüte und rote Käppis zur Standardkluft gehören. Das mag so vielleicht nicht beabsichtigt sein, kommt dann aber zumindest etwas unglücklich rüber.

Trotz solcher textlichen Ergüsse muss man RUTHLESS in jedem Fall zugestehen, mit „The Fallen“ ein durchaus gelungenes US-Power-Metal-Album abgeliefert zu haben. Klar findet hier keine Genre-Revolution statt und zum späten Klassiker reicht es wahrscheinlich auch nicht, dass sich die Underground-Heroen aber in derart guter Form zurückmelden, ist trotzdem eine angenehme Überraschung.

11.01.2024

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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