Mit Klischees zu spielen ist immer ein schmaler Grat. Einerseits läuft man Gefahr, unterschiedlichste Personengruppen durch den Kakao zu ziehen, andererseits hat man dadurch die Möglichkeit, bei Menschen mit krudem Humor den Nerv zu treffen, den man anvisiert. Auf RUSSKAJA aus Österreich trifft gar keine der beiden Alternativen so wirklich zu. „Ja spinnt der Rezensent jetzt völlig“ werden sich einige Leser nun denken, aber ganz so abwegig erscheint das nicht, auch wenn der Zweitling „Energia!“ eher den an zweiter Stelle genannten Aspekt bedienen könnte.
Tatsächlich wird weder dem russischen Volk die Schamesröte ins Gesicht getrieben, noch ein bestimmter Humor ins Ziel genommen, denn die äußerst originelle Mischung aus Polka, Ska und einer Prise Metal weiß von Beginn an dem Albumtitel gerecht werdend eine gewisse Energie freizusetzen und den Hörer zu einigen positiven Schmunzlern hinzureißen. Zwar halten sich die Texte von Beginn des Titeltracks an bis hin zum abschließenden „Sorry“ in einem äußerst plakativ-oberflächlichen Rahmen, das Hauptaugenmerk dieser Klamauk-Truppe jedoch liegt zu keiner Zeit auf eben jenen. Dafür gelingt das Zusammenspiel aus Trompete, Potete und Geige scheinbar spielend einfach und erschafft einige Live-Hits wie „Energia“, „Radost Moja“ (Gastbeitrag von Autor Wladimir Kaminer) oder „Autodrom“.
Die Gitarren selbst erscheinen nur als Mittel zum Zweck, sorgen selten für Akzente, lassen sich aus den Songs aber auch nicht wegdenken, da sie der Mischung eine gewisse Durchschlagskraft verleihen, wohingegen das Schlagzeug als Taktgeber hin und wieder versagt. Da wäre in „Dikije Deti“ durch die treibende Vorgabe von Bass und Trompete deutlich mehr drin gewesen, dafür bestechen „Ajajaj“ und „Tanzi Tanzi“ für reichlich (positive) Lacher und gut funktionierende Tanzmusik.
Schwer zu werten bleibt „Energia!“ trotz dessen. Es ist einfach, RUSSKAJA als das zu sehen, was sie mit ihrer Kunst scheinen vorzugeben, aber im Gegenzug auch schwer, eine genaue Punktzahl anzugeben. Warum? Weil ihr Werk keines ist, welches man zig mal am Stück durchhört und dabei als musikalisch ernst erachtet, aber eben auch keines, dass man einfach so als reines Party-/Comedy-Album abtun will, da man der Originalität dieser Österreicher damit zu keiner Zeit auch nur im Ansatz gerecht werden würde und man darüber hinaus gewiss keinen Alkohol benötigt um mit ihrer Musik Spaß zu haben. Denn wenn sie eines geschafft haben, dann ist es die eigene Identität zu kreieren, die unabhängig vom Promillepegel für viele glückliche Gesichter sorgen wird. Und sowas ist in diesem Fall mehr wert als dröge Punktzahlen.
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