Running Wild - Branded And Exiled

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Galerie mit 15 Bildern: Running Wild - Rockharz 2022

Ein Jahr nach dem Debütalbum „Gates To Purgatory“ veröffentlichten RUNNING WILD mit „Branded And Exiled“ im Oktober 1985 bereits ihr zweites Album.

Piraten der Karibik? – Von wegen, „Branded And Exiled“ ist böse, richtig böse!

Nachdem der vorherige Gitarrist und Songwriting-Partner Gerald „Preacher“ Warnecke RUNNING WILD verlassen hatte, um später mal Priester zu werden, musste erst einmal mit Majk Moti (bürgerlich Michael Kupper, R.I.P. 16. Februar 2023) kurzfristig ein neuer Gitarrist gefunden werden. D. Magnussen steuerte wieder wie für das Debüt ein feurig-metallisches Foto als Cover bei. Aufgenommen wurde „Branded And Exiled“ im Casablanca Studio in Berlin mit Produzent Horst Müller, welcher bereits für „Gates To Purgatory“ verantwortlich zeichnete, auch wenn wie immer Labelboss Karl-Ulrich Walterbach als Executive Producer angegeben war. So war das damals bei Noise Records.

Optisch folgten die Hamburger mit „Branded And Exiled“ ganz klar ihrem Debüt. Auch die Songtexte und das Image spielten noch gerne mit dem Okkulten, dazu die obligatorische Verbeugung vor J.R.R. Tolkien in Form von „Mordor“. Mit Piraten, historischen Themen und Verschwörungstheorien sollten sich Rock’n’Rolf (bürgerlich Rolf Kasparek) erst später beschäftigen und es zu größerer Bekanntheit bringen.

RUNNING WILD spielen RUNNING WILD

Auch musikalisch setzen RUNNING WILD auf Kontinuität und lieferten ein Nachfolgealbum voller Klischees ab, dem man die musikalischen Einflüsse von JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN noch anhörte und das man quasi so erwarten konnte. Rock’n’Rolf und Mannschaft konsolidierten ihre Version des düsteren Heavy Metals. Eingängig, noch recht rau, wild, kratzig und ungeschliffen, aber weniger rumpelig als das Debüt. Konnte „Gates To Purgatory“ noch von einer langen Demo-Phase profitieren, mussten RUNNING WILD die neuen acht Songs innerhalb eines Jahres schreiben und aufnehmen. Im Gegensatz zu manch anderen mit dem Zweitwerk strauchelnden Kollegen gelang den Hamburgern dabei eine kleine Steigerung. Gestiegene Fähigkeiten sorgten für kleine Fortschritte im Songwriting, was „Branded And Exiled“ etwas ausgewogener klingen lässt. Und auch der Gesang von Rolf ist verbessert, präsenter und weniger Effektbeladen. Dies alles gelang RUNNING WILD trotz des Weggangs von Preacher, der eben auch Mit-Songwriter war und nun Fronter Rolf alle Songs alleine schreiben musste, als auch im Studio den Großteil der Gitarren alleine aufnahm. Majk lieferte lediglich noch die Soli für „Gods Of Iron“, „Marching To Die“ und „Chains And Leather“

Die acht auf „Branded And Exiled“ enthaltenen kernigen, speedigen Hymnen profitieren von der Entwicklung und haben auch heute nichts von ihrem ursprünglichen Zauber verloren. Hymnische Mitsing-Refrains, griffig-knackige Riffs, flotte Rolf-Trademark-Leads, treibende Rhythmen, dabei ist der Sound noch recht rau, was zum besonderen Charme der Platte beiträgt. RUNNING WILD fingen die rohe Energie und Wildheit des Metals ein, fernab von absoluter Perfektion, aber eben doch spielerisch gekonnter als noch auf dem Debüt. Höhepunkte sind natürlich der treibende, eingängige Titelsong, das düstere „Mordor“, der pathetisch stampfende Grower „Evil Spirit“, das an „Diabolic Force“ erinnernde „Fight The Oppression“ und die Kult-Hymne und JUDAS PRIEST-Verneigung „Chains And Leather“. Filler gibt es keine, das Feeling kommt authentisch rüber.

Ein früher Klassiker des deutschen Heavy Metals

„Branded And Exiled“ ist ein Fortschritt in der Findungsphase von RUNNING WILD und enthält schon viel von dem, was die Band mal großmachen würde. Ein Kleinod, ein Klassiker der frühen Phase des deutschen Heavy Metals in den Achtzigern, das den damaligen Zeitgeist widerspiegelt, dem heute noch viele Bands folgen. Mit dem nächsten Album würde sich aber einiges ändern, eine Neuausrichtung in Sachen Optik, Image und Texte, nicht nur folgenreich für die Band, sondern auch mit der Schaffung eines neuen Sub-Genres, das man heute Pirate Metal nennt. Die wirklich überragenden Alben von RUNNING WILD sollten erst noch folgen. Aber das ist eine andere Geschichte, deren Grundlage allerdings mit „Gates To Purgatory“ und „Branded And Exiled“ geschaffen wurde.

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14.06.2023

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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