Running Wild - Blazon Stone

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Galerie mit 15 Bildern: Running Wild - Rockharz 2022

Im Jahre 1991 befinden sich RUNNING WILD auf dem Höhepunkt ihrer Karriere und inmitten einer atemberaubenden Erfolgsserie von ausschließlich starken Alben, die 1988 mit “Port Royal” begann und erst 1998 mit “The Rivalry” enden sollte. Mit “Port Royal” und dem unmittelbaren Vorgänger “Death Or Glory”, der seinerzeit mit überragenden Kritiken bedacht wurde und auch heute noch als eines der besten deutschen Metal-Alben aller Zeiten gilt, konsolidierten RUNNING WILD ihren Stil, genehmigten sich allerdings auch kleiner stilistische Ausreißer. Der Nachfolger “Blazon Stone” hingegen präsentiert uns eine Band – beziehungsweise einen Rock’n’Rolf –, die genau wusste, was sie wollte und ihren ureigenen Stil teutonischen Metals gefunden hatte. Damit ist “Blazon Stone” die Blaupause dessen, was man heute allgemein mit RUNNING WILD assoziiert, die Vorlage für mehrere spätere Alben und wenig überraschend eines der bestverkauften Alben der Diskografie.

Der Beleg für die Unzerstörbarkeit von RUNNING WILD

Dabei wurde wie üblich bei RUNNING WILD zum fünften Mal innerhalb von sechs Alben die Besetzung ordentlich ausgetauscht. Der langjährige Gitarrist Majk Moti (R. I. P.) nahm seinen Hut ebenso wie der nur auf “Death Or Glory” zu hörende Drummer Iain Finlay. Für ihn kam der später sehr erfolgreiche Tourmanager (und einstweilige Drummer von LACRIMOSA) Rüdiger “A. C.” Dreffein sowie Gitarrist Axel Kohlmorgen, der in Anlehnung an die Piratenthematik der Band das Pseudonym Axel Morgan wählte. Den zeitgenössischen Trend der frühen Neunziger, lange Haare und Lederjacke gegen Flanellhemd und Stoppelbart einzutauschen, konterkarierten RUNNING WILD in ihrem typischen Stoizismus einfach mit mehr Nieten auf den Jacken und mehr Haarspray in den Vogelnestern, die auf dem Backcover ihre Häupter bedecken. Kult!

Insgesamt weist “Blazon Stone” erstmalig eine Menge Merkmale auf, die auf den nächsten Alben kultiviert werden sollten. Im Vergleich zum Vorgänger gestalteten RUNNING WILD die Produktion um einiges fetter: Drums und Vocals wurden mit gewaltigen Portionen Reverb gefüttert. Die Röhrenzerre des Gitarrensounds ist unglaublich saftig und sollte noch vier weitere Alben bis “The Rivalry” perfektioniert werden. Anschließend entdeckte Rolf leider Drumcomputer und Homestudio-Plugin-Gitarrensounds für sich, aber das ist eine andere (deprimierende) Geschichte. Zudem wurde der Anteil an Speed-Metal-Nummern leicht zugunsten von ACCEPT-beeinflussten Riff-Rockern der Marke “Lonewolf”, “Slavery” oder “Fire & Ice” heruntergefahren – letzterer ist übrigens eine Komposition von Drummer A. C. und sie klingt verblüffend echt nach einem Rock’n’Rolf-Song. Allgemein sind zudem die Arrangements und Instrumentierungen auf “Blazon Stone” wesentlich straffer gehalten, was das Album wiederum zur härtesten Platte der Band seit “Branded & Exiled” macht.

“Blazon Stone” gehört zu den besten Alben der Piratencrew

Und dann besitzt “Blazon Stone” vor allem eines: Hits, Hits und noch mal Hits. Es gibt ewige Hymnen des Live-Sets wie den Titelsong (dessen Twin-Lead-Intro live leider immer weggekürzt wird), “White Masque”, “Bloody Red Rose” und die unverwüstliche Überhymne “Little Big Horn”. In der zweiten Reihe tummeln sich ebenfalls tolle Stücke wie das bereits erwähnte “Fire & Ice”, das von Bassist Jens Becker beigesteuerte “Rolling Wheels” oder die epische Abschlusshymne “Heads Or Tails”, die mit ihrem wunderbaren Chorus etwas an den älteren Klassiker “Prisoners Of Our Time” erinnert. Lediglich das auf der CD-Version enthaltene Bass-Instrumental “Over The Rainbow” ist etwas überflüssig und störend.

Dazu gesellen sich alle weiteren Trademarks, die wir an RUNNING WILD lieben: tolles Cover Artwork aus der Feder von Andreas Marschall, das wie immer gekonnt am Kitsch vorbeischrammt und interessante Texte über die Geschichte der frühen Neuzeit, die Themen wie die Rosenkriege (“Bloody Red Rose”), die Grausamkeit des Sklavenhandels (“Slavery”) oder die Schlacht am “Little Big Horn” behandeln.

Völlig zu recht erfolgreich

Dass “Blazon Stone” zum kommerziell erfolgreichsten aus dem Hause RUNNING WILD gehört, wundert überhaupt nicht. Ähnliche wie seine beiden Vorgänger sprüht die Platte vor tollen Ideen und deutlich hörbarer Spielfreude. “Blazon Stone” zeigt eine Band, die auf trendige Entwicklungen keinen Pfifferling gab und unbeirrt ihr Schiff durch raue Gewässer steuerte. Es ist ein Album, das von vorn bis hinten puren Spaß macht, ohne ein “spaßiges” Metal-Album zu sein und auch der lokalen Konkurrenz – HELLOWEEN schielten einem Mainstream-Erfolg hinterher, RAGE und GRAVE DIGGER mussten ihre Erfolgsformel erst noch perfektionieren, von ACCEPT sprach schon lang niemand mehr – auf lange Sicht zeigen konnte, wo der Hammer hängt. Es begründet die Stellung RUNNING WILDs als eine der wichtigsten traditionellen Metal-Bands, die die experimentellen Neunziger überlebten und gehört in jede vernünftige Plattensammlung.

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24.05.2023

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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2 Kommentare zu Running Wild - Blazon Stone

  1. ClutchNixon sagt:

    Ich bevorzuge zwar Black Hand In und Pile of Skulls, ob der besseren Drummer und nochmal besseren schmissigen Songs, dennoch summe ich auch heute noch unbewusst ‚Little Big Horn‘ und jedes Mal lächle ich dann wissend und zufrieden.

    PS: Liebes metal.de Team bitte nehmt euch doch mal solcher Platten, wie der selbstbetitelen Solstice an. Songs wie ‚Survival Reaction‘ sind einfach zu geil um in Vergessenheit zu geraten.

    8/10
  2. Salems Witch sagt:

    Ich finde alle Rennendes Wild Alben bis einschließlich Black Hand Inn genial. Danach ging es leider dank schlechter Produktionen bergab

    10/10