Rummelsnuff - Äquatortaufe

Review

Eine der effektivsten Varianten des Humors ist jener, der den Empfänger aufgrund der Darbietung der Marke „Steife Oberlippe“ im Dunkeln dahingehend lässt, ob das Gesagte jetzt hundertprozentig ernst gemeint gewesen ist oder nicht (was natürlich voraussetzt, dass keine Geschmacksgrenzen grob überschritten werden). Und je bizarrer, desto besser. Das Pumperkommando RUMMELSNUFF & ASBACH zählt durchaus dazu, auch wenn sich hier darüber streiten lässt, ob Humor wirklich das primäre Ziel ist. Auf dem Selbstbetitelten haben sie zwar haufenweise Songs übers Gewichtheben oder die Arbeit des einfachen Mannes dahingehend inszeniert, dass geradezu naive Texte mit ähnlich gagelischer Metrik wie jene aus dem Hause RAMMSTEIN mit RUMMELSNUFFs aufrichtigem Geraune und Maat Asbachs theatralischem Tenorbariton für herzhafte Lacher sorgt.

Zurück mit Seemannsgarn und Arbeiterromantik

Andererseits findet sich aber auch immer Platz, um ernsthaftere („Treidler“), durchaus auch mal emotionale Themen („Bursche“) zu besingen, wiederum mit der gleichen Aufrichtigkeit und der gleichen Theatralik. Wiederkehrende Textmotive sind neben dem Stemmen und der Arbeiterromantik auch jede Menge Seemannsgarn, was der prinzipiell elektronischen Musik gerne mal ein Shanty-artiges Backdrop verleiht, wann immer die Songs zur See fahren. Gelegentlich darf es auch mal ein bisschen schlüpfriger werden. Im Grunde ändert sich an all dem relativ wenig auf dem Nachfolger „Äquatortaufe“. Die Schräublein wurden natürlich hier und da ein bisschen angezogen oder gelockert, sodass z. B. vermehrt Reggae-artige Offbeat-Rhythmen Einzug in den kecken Elektro-Sound gehalten haben.

Aber wer den Vorgänger kennt, weiß im Grunde grob schon vorab, was ihn hier erwartet. Das geht soweit, dass man gewisse Äquivalente zu dessen Songs ausmachen kann. „Müllabfuhr“ zum Beispiel ist ein trockener Rauner mit einfachem Beat, der im Fahrwasser von „Helmut“ schwimmt und ähnlich simpeleffektiv in Ohr und Gebein fährt. Insgesamt etwas gemächlicher unterwegs, kann unsereins sich jedoch wiederholt köstlich darüber amüsieren, wie RUMMELSNUFF „Müll-Ab-Fuhr“ ausspricht. Und ein bisschen wenn auch zahme Konsumkritik haben sie auch noch in den Track reingestopft bekommen. Oder man nehme „Berliner Forsten“, der ein ähnliches Sujet bedient wie seinerzeit „Der Oger“. „Harzer Käse“ findet sich indes hiesig in „Eiorschägge“ wieder.

Altes und Neues im Hause RUMMELSNUFF

Deshalb sollte man die „Äquatortaufe“ aber nicht gleich abschreiben, da das Album für sich genommen doch ziemlich gut geworden ist und sogar die ein oder andere Überraschung parat hält. Der Titeltrack zum Beispiel ist purer Seemannsgarn unter Verwendung des Wortes „Fischdosenkrone“. Etwas ramontischer wird es auf dem folgenden „Bootsmann“, wiederum mit Seefahrerthematik. „Kreuzheben“ ist eine klassische RUMMELSNUFF-Hymne übers Stemmen, wie bei dem Titel nicht anders zu erwarten. Richtig experimentell wird es auf „Zeppelin“, das auf den Absturz des Zeppelins „Hindenburg“ in Lakehurst anspielt. Da darf gegen Ende des Songs natürlich auch nicht die legendär gewordene Berichterstattung von Herbert Morrison („Oh the humanity“) als Sprachsample fehlen.

Auch „Vater“ wird etwas experimenteller und stößt mit seinem Beat und den harschen E-Gitarren(-Samples?) regelrecht in Industrial-Territorium vor. Dies ist zudem einer der Songs, bei dem Maat Asbachs Gesangsdarbietung im Mittelpunkt steht. Dazu gehört auch „Wolf und Einhorn“, das oberflächlich an „Crystal Ball“ vom Vorgänger erinnert. „Sauerkraut“ scheint ein kurzes Mantra über die titelgebende, stereotypisch deutsche Beilage zu sein, wiederum angeleitet von Asbachs beeindruckender Singstimme. Im Rausschmeißer „Vacances“ entführen die beiden ihre Hörer schließlich mit karibisch anmutendem Beat ins ebenso karibische Belgien, komplett mit französischsprachiger Hook.

„Äquatortaufe“ macht zwar nicht viel neu, aber auch wenig verkehrt

Alles also wie gehabt, und doch ist „Äquatortaufe“ wieder auf seine eigene Art und Weise charmant und unterhaltsam geworden. Der ein oder andere weniger inspirierte Moment hat sich zwar auf das Album geschlichen, aber das ist bei einer umfangreichen Trackliste von 16 Stücken zu erwarten. Die blähen die Gesamtspielzeit glücklicherweise nicht zu sehr auf, sodass „Äquatortaufe“ hinreichend kurzweilig bleibt. Und so richtig böse kann man Kapitän RUMMELSNUFF und seinem ersten Maat Asbach nicht sein, eben weil der Sound einfach so knuffig ist und sich diese erfrischende Naivität bewahrt hat. Wichtiger aber: Es hat Charakter, etwas, was die deutschsprachige Musiklandschaft dringend nötig hat.

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18.08.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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