Mensch, was für ein Murks Jari Mäenpää da wieder verzapft hat. Nicht nur hat „Time II“ ewig auf sich warten lassen, es ist auch noch Proleten-Piraten-Klamauk mit Folk-Samples aus der digitalen Konserve, den man von WINTERSUN trotz ihrer Neigung zum Folk in keinster Weise erwartet hätte und… Was? Chef Jan hat mir gerade mit schadenfrohem Grinsen zugesteckt, dass das hier nicht die lange überfällige Fortsetzung von „Time I“ ist, sondern das neue Album von RUMAHOY, das die maskierten Pirate Metaller verwirrenderweise „Time II: Party“ genannt hab- OOOOOOOOOOOOOOH! „Time II: Party“! Wie in: „Time T(w)o Party“. *Schenkelklopf* Okay, liebe Piratenbrüder, der geht aufs Haus.
Unsereins möchte RUMAHOY ja so gerne hassen
Ich möchte dieses Album so sehr hassen. Denn es steht so ziemlich für alles, was der anspruchsvolle Metalhead von Heute zu hassen liebt. Infantile Texte, die so flach kommen, dass man schon vom ständigen Füßeheben durchtrainierte Oberschenkel respektive Arschbacken bekommt (was in internen metal.de-Kreisen auch als FEUERSCHWANZ-Syndrom bekannt ist)? Check! Simpeleffektive Folk-Schunkler, die jedes Bierzelt derart gekonnt zum Beben bringen, sodass der Schweiß von der Zeltplane herunter kondensiert? Sicher doch! Null Trveness, null Ernsthaftigkeit, null Eingeweide, null Intellektualität, null Satanismus, dafür 100% Memes, Toilettenhumor und Piratenklamauk, dass die Holzbeine steppen? Logisch! Haben RUMAHOY alles dabei.
Ich möchte mich so sehr darüber aufregen, dass die Band einen Song namens „Harambe The Pirate Gorilla“ aufgenommen hat. Ich möchte mich so sehr darüber aufregen, dass „Poop Deck Party“ buchstäblich von einer Fäkalienschlacht an Deck handelt, an der selbst ein gewisser Christopher Bowes beteiligt ist, und der Joke des Songs daraus besteht, das Wort „Poop“ gefühlt hunderte Mal zu wiederholen. Dazu hat der Song noch die Charakteristika eines schmierigen Kirmes-Bangers inne. Ich möchte mich darüber aufregen, dass Captain Yarrface auf „Full Mast“ in einem Song, der teilweise wie lose auf ALESTORMs „Nancy The Tavern Wench“ basierend klingt, unter anderem von seinem – äh – Einmaster singt.
Doch „Time II: Party“ erweist sich als qualitatives Paradoxon
Und ich hätte auch Grund dazu. Captain Yarrface grummelt praktisch fast durchgehend in seine Sturmmaske hinein, was keineswegs daran liegt, dass er es nicht besser kann. Hört man nämlich zum Vergleich das uncharakteristisch epochale „1000 Years Of Dust“, staunt man über seinen beeindruckenden, Epic-Metal-tauglichen Bariton, den er in der Hook einsetzt. Und apropos Hooks: Die haben RUMAHOY auch drauf, vor allem wenn sie wie im Opener „Cowboys Of The Sea“ so locker aus der Hüfte geschossen kommen. Die Lyrics wühlen teilweise tief in den Schubladen von Piratenklischees, Popkultur oder werfen mit kindlichen Albernheiten um sich, während die Musik wenige bis gar keine Anstalten macht, um aus dem Windschatten von ALESTORM heraus zu segeln.
Warum also bleiben mir diese Songs so penetrant im Kopf hängen? Warum fällt es mir schwer, meinen Hass zu kanalisieren? Warum wippe ich zu solchen Trash-Anthems der Marke „Treasure Gun“ mit? Es mag die offensichtliche Genreverwandtschaft zu ALESTORM und damit meine Schwäche für deren Sound sein. Das wird gleich mehrfach durch die Sturmhaube augenzwinkernd eingestanden, einmal in Form einer Tirade gegen die Pirate Metal-Konkurrenz in „The Tale Of Captain Yarrface“, die auch u. a. RUNNING WILD abwatscht, oder die Tatsache, dass sich die Band mit dem Rausschmeißer „Stolen Treasure“ buchstäblich ALESTORMs „Drink“ ausgeborgt und ihn textlich mit dem Eingeständnis ihrer Kopierechtverletzungs abgerundet hat. Weil Piraterie und so.
Wer über sich selbst lachen kann, kann auch mit RUMAHOY lachen
Es mag diese Art von überzogenem, teils selbstironischem (Meta-)Humor sein. Oder es ist einfach nur dieser poltrige, krude Draufgängercharme, den RUMAHOY mit rotzfrecher Selbstverständlichkeit mitbringen und Geschmacksgrenzen mal kurz aushebeln. Ausgestattet mit dem Selbstbewusstsein der Größe XXL ist gefühlt alles erlaubt bei den Herren, was Spaß macht. Natürlich ist nicht jeder Schuss ein Treffer bei so einem Rezept. So segelt der Quasi-Titeltrack „Time To Party“ im öden ALESTORM-Autopilot. Wie angedeutet klingt „Treasure Gun“ textlich so unbeholfen, als hätte sich Yarrface erst während des Singens die Lyrics aus dem Arsch gezogen. Und nur weil das Wort „Poop“ in „Poop Deck Party“ so oft wiederholt wird, wird es auch nicht lustiger.*
Aber die charmanten Moves, die Yarrface und seine Crew landen, wie etwa die Tatsache, dass die Hook von „The Beer From My Town Is Better Than Yours“ eine schweißtreibende Quasi-Abwandlung des KELIS-Hits „Milkshake“ ist, oder die zugegeben im ersten Moment mehr als gewöhnungsbedürftigen „Oogachagas“ in „Harambe The Pirate Gorilla“, die jedoch so nervtötend eingängig sind dass sie nachhaltig im Kopf hängen bleiben, machen „Time II: Party“ einfach so knuffig, dass das Ding gefährlich schnell von einer 3/10 zum Guilty Pleasure herangewachsen ist. Wer also bereit ist, die eigene Scham zumindest für die Dauer eines musikalischen Beutezugs in voller Länge auszuschalten, könnte mit „Time II: Party“ also richtig Spaß haben.
Der Rest sollte zumindest mal „1000 Years Of Dust“ antesten.
*Kicher… Hihihi… „Poop“… Hähähä.
Muss man nichts zu sagen. Entweder man steht auf diese Art Humor oder nicht. Kann man als musikalischen Ersatz nehmen, falls der Malle-Urlaub wegen Covid-19 in’s Wasser gefallen ist.
Für Piraten und/oder wenn man JBO für anspruchsvoll hält.