Roadrunner United - The All-Star Session
Review
Man möchte nicht unbedingt in der Haut von Roadrunner Records A&R Monte Connor gesteckt haben, als er sich die Bürde auferlegte hatte, den 25. Geburtstag der Plattenfirma seines Vertrauens gebührend zu feiern. Eine Meisterleistung des Projektmanagements hat er als Koordinator mit seinen Protagonisten hinlegen müssen, um schließlich „The All-Star Session“ entstehen lassen zu können. Wo schon so manche Band Schwierigkeiten hat, sich im Prozess der Albumentwicklung zusammenzufinden, mussten hier gleich 55 (!) Musiker an der Zahl zusammengebracht werden. Jeder, der einmal etwas mit Roadrunner zutun hatte oder noch hat, war herzlich eingeladen, unter musikalischer Regie der vier Team Captains, Robert Flynn (MACHINE HEAD), Joey Jordison (SLIPKNOT), Dino Cazares (ex-FEAR FACTORY/ BRUJERIA), und Matthew Heafy (TRIVIUM), ihr Können zu zeigen.
Das Gerüst ist bei einer solchen Anzahl an sehr namhaften Künstlern und in einem im Metal nie da gewesenen Maße pompös gesteckt. Und musikalisch? Bei den Konstellationen, die zustande gekommen sind, kann man nur mit der Zunge schnalzen. Captain Nr.1, Robert Flynn, der sich eher auf gewohntem Metier bewegt, darf die Scheibe mit einem soliden Metalcore Brocken eröffnen, bei dem er KILLSWITCH ENGAGE Sänger Howard Jones die Double Bass genretypisch auf den Leim geschnitten hat. Flynn scheint jedem seiner Mitstreiter den passenden Maßanzug schneidern zu können. Denn auch der starke Song „Independent (Voice of the Voiceless)“ kann, nein muss eigentlich aus der Feder Max Cavaleras gestammt haben. Mal nebenbei: Robert Flynn und Max Cavalera in einer Band – hach ja. Ähnlich starke Unterstützung holt er sich in dem atmosphärischen New Metal Song „The Rich Man“ mit „Corey Taylor“. Das Stück klingt wie ein Bastard aus SLIPKNOT und MACHINE HEAD, doch ist in seiner Konsequenz kein wirklicher Nackenbrecher. Am weitesten entfernt sich Flynn von seinem Stil mit dem Song „Army Of The Sun“, den er mit seinem Bandkollegen Dave McClain geschrieben hat – entstanden ist ein melodisch eindringlicher, emotionaler Song, der das Ohr nicht so schnell wieder loslässt.
Ein klein wenig anders beginnt das gebranntmarkte Kind, ex-FEAR FACTORY Gitarrist Dino Cazares, sein Set. Nicht wirklich friedlich hat er sich von seiner Band getrennt und ist seitdem auch kein Mitglied der Roadunner Familie mehr. Doch ein Stück Geschichte hat er trotzdem mitgeschrieben. In „The Enemy“ stellen bedächtige Klänge die Weichen für ein brachiales Auskotzen von CHIMAIRA Sänger Mark Hunter – ganz im Zeichen seiner Band. Doch was wäre der Song ohne die Feuersalven von Roy Mayorga an der Batterie. Und dann traut sich Dino glatt einen Kontrahenten aus dem anderen Team, Sänger Matthew Heafy von TRIVIUM, ans Mirkophon zu holen, um die bedrückende Halbballade mit MACHINE HEAD Gitarrenklängen einzuspielen – sehr ohrwurmtauglich! Was jeder einzelne Sänger für eine Macht über das Erscheinungsbild des Songs hat, beweist auch das düstere „Baptized In The Redemption“. Dieser von Dez Fafara eingesungene Wutbrocken hätte genauso auf einer DEVILDRIVER Platte sein können. Und zu guter Letzt: Stakkato Alarm wie zu besten FEAR FACTORY Zeiten mit einem hier starken, weil nicht ganz so weichspülermäßig dahereiernden Christian Machado von ILL NINO.
Wer am musikalischen Können von SLIPKNOTS Schlagzeuger Joey Jordison zweifelt, der sollte sich verdeutlichen, welche Bandbreite an Variabilität er hier zutage legt. Stumpf fängt es mit „Annihilation By The Hand Of God“ an, bei dem Herr „Lange-Leitung“ Glen Benton sich einen abgrunzen darf, die wirkliche Klasse aber leider nur bei den Blastbeats und dem von James Murphy eingespielten Solo aufkommt. Um 180 Grad wendet sich das Blatt bei der lässigen Rocknummer „Tired `N Lonely“. Hierfür wurde Mister „River Runs Red“ persönlich, Keith Caputo, ans Mikro gebeten. Und dann? Richtig: Wir verlassen den Kriegsschauplatz…und gehen über zu dem wohl gaysten Stück auf der gesamtem Scheibe, „No Way Out“. Man fragt sich bei diesem Stück Rock eigentlich nur, ob nun Sänger Daryl Palumbo (ach so, der…) mit seiner deformierten Stimme oder Junky XL weniger deplaziert wirkt. Dafür sorgt das (richtig, wir verlassen wieder das Genre) starke, besonders durch Sänger Kyle Thomas an PANTERA erinnernden Stück „Constitution Down“ für Entschädigung – da auch die Herren Rob Barrett, James Murphy und Andy LaRocque ihre Soli beisteuern durften. Um die Salatvariation komplett zu machen, darf die Depression in Person, Peter Steele, in doomigem Gewand irgendwelchen Kauderwelsch von sich lassen. Was tot traurig nach Russisch klingt, ist eine von ihm selbst entworfene Sprache, die wahrscheinlich nur für ihn Sinn macht.
Der jüngste Spross in der RR Familie, Matthew Heafy, eröffnet mit einem sehr truen Heavy Metal Song sein Set. King Diamond sprengt mit seinem Eunuchengesang sämtliche aus Glas bestehende Materialien im Raum – Geschmacksache. Wie sein Kollegen Joey, kann auch Matthew durch Stilvariabilität protzen: In „Dawn Of A Golden Age“ rattert melodischer Black Metal aus den Boxen, Dani Filth von CRADLE OF FILTH faucht sich in bester Manier einen ab, wie er es momentan wohl in heimischen Gefilthen kaum besser machen könnte. Deutlich lässiger, ja gerade zu saulässig geht es in „Blood & Flames“ zu. Ex-KILLSWITCH ENGAGE Sänger Jesse Leach überzeugt auf ganzer Linie mit der gefühlvollen Seite seiner Stimme. „I Don’t Wanna Be (A Superhero)“ klingt wonach? Richtig, nach Punkrock, nach lupenreinem Punkrock – behaftet mit allen Klischees, die einen typischen Punkrock Song ausmachen und mit Michale Graves (Ex-MISFITS) am Mikro.
Es sollten doch 18 Songs auf der Scheibe sein, oder? Den Song „Roads“ hat keiner der Teamcaptains, sondern Josh Silver von TYPE O NEGATIVE geschrieben. Singen durfte den Track OPETH Mastermind Mikael Akerfeldt, der sich hier einmal mehr von seiner ruhigen und nachdenklichen Seite zeigt.
Was nehmen wir für heute mit? Wenn eine Plattenfirma Werbung für sich machen will, dann so. Dieses Projekt ist gigantisch und der Zeitdruck im Vorfeld war enorm. Zwar ist nicht jeder Song der Überreißer, doch besonders die stilistische Vielfalt ergibt das Salz in der Suppe. Das hätte man dem einen oder anderen Komponisten nicht zugetraut.