Die ersten RHAPSODY-Alben habe ich seinerzeit wirklich geliebt, danach verlor ich die Gruppe ein wenig aus den Augen. Dabei hätte man in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit aufbringen müssen, um bei der wechselhaften Bandgeschichte nicht den Überblick zu verlieren. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Schauspiellegende Christopher Lee, die weniger erfolgreiche Zusammenarbeit mit MANOWAR-Chef Joey DeMaio, die Umbenennung in RHAPSODY OF FIRE aufgrund rechtlicher Probleme und schließlich der Split in zwei eigenständig agierende Bands – ein reichhaltiger Fundus also, aus dem sich leicht eine Menge an seifenoper-mäßigen Geschichten rund um diese italienische Band stricken lassen, ohne dass man dabei in die Verlegenheit gerät, auch nur ein Wort über ihre Musik verlieren zu müssen.
Doch genau darum soll es in diesem Review gehen, denn während das Reinkarnations-Debüt der von Keyboarder Alex Staropoli geführten RHAPSODY OF FIRE noch auf sich warten lässt, legen Luca Turillis RHAPSODY mit „Ascending To Infinity“ bereits neues Material vor. Dabei ist im Wesentlichen alles beim Alten geblieben, noch immer stehen RHAPSODY für die Extra-Portion Bombast-Kitsch, die viele hassen, Fans der Italiener aber wie immer abgöttisch lieben werden. Wenn man die entsprechenden Diskussionen nicht schon vor Jahren bis zum allgemeinen Erbrechen ausgetreten hätte, könnte man also auch „Ascending To Infinity“ ein gewohnt hohes Polarisations-Potential bescheinigen.
Aber halt, tatsächlich finden sich auch einige Elemente auf der Scheibe, die zumindest ich bei RHAPSODY noch nicht gehört habe. In erster Linie handelt es sich dabei um Electro-Spielereien, die als gelegentliche Farbtupfer in den epischen Klangkathedralen auftauchen. So neu sind diese aber bei genauerer Betrachtung dann doch nicht, denn während RHAPSODY nun ihren Gitarristen und Mastermind als halboffizielle Präambel im Bandnamen führen, hat Luca Turilli bereits auf seinem zweiten Solo-Werk „Prophet Of The Last Eclipse“ mit derartigen Sounds herumexperimentiert. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie im RHAPSODY-Kontext irgendwie deplatziert wirken und bei Stücken wie „Dante’s Inferno“ geradezu störend erscheinen. Und auch mit der offensichtlich bewusst den Trailern großer Hollywood-Blockbuster entlehnten Erzähler-Stimme im Intro „Quantum X“ werde ich nicht so recht warm.
Neu-Sänger Alessandro Conti liefert eine starke Leistung ab, wenngleich er stilistisch nahtlos an das Schaffen seines Vorgängers (und jetztigen RHAPSODY-OF-FIRE-Kollegen) Fabio Lione anknüpft und nur selten eine eigene, unverwechselbare Klangnote in den Sound mit einbringt. Erst in der Ballade „Luna“, bei der der klassisch ausgebildete Italiener auf seine Muttersprache zurückgreift, schafft es Conti, sich von Lione zu emanzipieren und sorgt zugleich für heftigste Gänsehaut-Attacken – mein persönliches Highlight auf dieser Scheibe.
Die Stärke von RHAPSODY ist die epische Erhabenheit und kompositorische Reichhaltigkeit des Songwritings, das wieder einmal mit geschickt versteckten Klassik-Zitaten gespickt ist. Einige der Stücke wirken indes als wären hier die Melodien alter RHAPSODY-Klassiker recyclet worden, was insbesondere „Excalibur“ zu einer reichlich zweifelhaften Angelegenheit werden lässt. Das Hauptproblem von RHAPSODY ist aber, dass sie nach wie vor nicht wissen, wann das Bombast-Maß voll ist. In dem Bestreben immer noch opulenter und epischer zu werden wird hier ohne Rücksicht auf Verluste jedes vermeintliche Loch im Breitwand-Sound großflächig mit Streicher-Parts und Keyboard-Teppichen gestopft, was im Endeffekt den im Kern gelungenen Kompositionen einen Großteil ihrer Wirkung nimmt. Klar ist man es von den Italienern nicht anders gewohnt, trotzdem wäre weniger hier oftmals einfach mehr gewesen.
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